Werke
Himmel, als suche er dort das Tor zur Ewigkeit.
Die überraschenden und schnell sich folgenden Vorgänge, welche ich jetzt zu erzählen habe, sind es wohl eigentlich, welche uns in der kleinen Seestadt das Gedächtnis des einfachen Mannes bewahren ließen und mich veranlaßten, den kleinen Spuren seines Lebens nachzugehen, von denen ich einzelne hier aufzuzeichnen vermochte.
– – Es war an einem Spätnachmittage des Septembers, und die Abendsonne lag herbstlich mild auf den braunen Ziegeldächern, als ein Trupp von etwa zwanzig meist aufgewachsenen Jungen sich hurtig, aber in feierlicher Stille, von unseres Meisters Hause die Straße hinaufbewegte, die hier nach Osten zur Stadt hinausführt. Nur selten wurde ein Wort geflüstert; in sachtem Trabe ging es vorwärts; man hörte nichts als das Geräusch von den Stiefeln oder Holzkloppen, die ebenmäßig über das Pflaster liefen. Hie und da kam noch einer aus den Häusern zugelaufen und schloß sich, eifrig, aber heimlich fragend, dem Zuge an. »Wat is da los? Wo willn jüm hen?« frug eben ein kleiner dicker Bursche.
Und der Gefragte raunte ihm ins Ohr: »Buten na ’t Brutlock! He will sick versupen!«
»Ah, Snack! Versupen? Wem will sick versupen?«
Und der andere zeigte auf den alten Meister Basch, der in Kniehosen und Pantoffeln, mit Schurzfell und blauer Zipfelmütze, mit fahlem Antlitz und wie leeren Augen in ihrer Mitte trabte.
»Dammi ja!« sagte der neue Junge. »He kickt immer liekut. Warum will he sick versupen?«
»So wes’ doch still!« raunte der andere; »wil he nich mehr leben mag.«
»Wem hätt dat seggt?«
»He sülm.«
»Dammi ja!« rief der neue Junge wieder; »wenn man uns’ beiden Swemmers mit weren!«
»De sünd all lang vörut.«
Die beiden »Swemmers« waren ein paar ältere kräftige Jungen, Hans Jochims und Harke Mommsen, die Schwimmkünstler unter denen, die draußen bei der Schleuse badeten; sie hatten sich von dem Zuge getrennt und waren aus Leibeskräften vorausgelaufen; denn sie dachten heute ihren Ruhm noch um ein erkleckliches zu mehren.
Der Trupp, der sich rastlos mit dem schlurrenden, trappelnden Geräusche fortbewegte, war endlich vor die Stadt gekommen, wo sich statt der Häuser zur Linken der Steinwall mit den großen Weißdornbüschen hinzieht und rechts die Marschweiden nach dem Hafenstrom hinab liegen. Es ging jetzt rascher vorwärts; sie waren bald zur Stelle; niemand von den Knaben hatte ein Wort zu dem alten Meister gesprochen, er keins zu ihnen; niemand hat es nachher gewußt, woher es kundgeworden, daß sie ihn auf seinem Todesgang begleiteten; ebensowenig kam ihnen der Gedanke, daß sie den Verwirrten zurückhalten müßten; auch die vorausgelaufenen Schwimmer dachten nur, wie sie ihr Heldenstück vollbringen wollten.
Wohl begegneten ihnen ältere Leute, die sie zu Rat und Hülfe hätten herbeirufen können; aber allen von solchen gestellten Fragen setzten sie nur ein stummes Kopfschütteln oder ein nichtachtendes unbewegliches Schweigen entgegen; sie wollten sich nicht stören lassen; die allen Menschen eingeborene Begier, das Letzte, Schauerliche einmal selbst in nächster Nähe zu erleben, trieb sie vorwärts.
Und der alte Mann schien Eile zu haben; er lief immer hurtiger, wie einst, wenn er aus der Werkstatt zu seiner Line in die Küche trabte; er wollte auch zu ihr, nicht zu ihrem Grabe; er wollte nach einer Pforte, durch die er aus der Welt hinaus konnte; zu ihr, zu Fritz, nur nicht mehr in der leeren Welt!
Der Zug wandte sich jetzt rechts nach einem breiten Damm hinauf; ein paar hundert Schritte weiter, wo am Ende desselben eine hochgelegene Landstraße vorüberführte, lag tief unten im Winkel das Brautloch, eins jener schwarzen Wasser, die nach der Sage unergründlich sind. Die Augen der Jungen wurden immer greller, je näher sie den Spiegel in der rötlichen Abendsonne blinkern sahen; und viele Finger streckten sich aus und wiesen auf zwei dort am Abhang liegende Kleiderhäufchen. »De Swemmers! De Swemmers!« rief es aus dem Zuge. Als sie aber noch näher kamen und von dem Damme das Wasser unter ihnen mit seinen hohen Schilfrändern übersehen konnten, lag unten alles blank und totenstill; sie reckten und drehten die Hälse; aber von den Vorausgelaufenen war nichts zu gewahren.
Plötzlich erscholl aus dem Haufen ein durchdringender Schrei des Entsetzens, denn während die Knaben nach ihren Kameraden auf der Wasserfläche aussahen, hatte Meister Daniel einen Zulauf genommen; sie sahen
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