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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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etwas, das sie nicht erkennen konnten, durch die Luft in die Tiefe hinabfliegen und gleich darauf das Wasser unten in klatschenden Wellen emporschlagen.
    Der Augenblick war vorüber: es wurde still; die Knaben standen zitternd auf dem hohen Ufer und begannen um Hülfe zu rufen. Aber sie war schon da, und von diesem Augenblicke an wandte sich das Schicksal Meister Daniels; es ging wieder aufwärts, denn die Jugend hatte sich seiner angenommen. Aus den beiden sich gegenüberliegenden Schilfverstecken schwammen mit kräftigem Armschlage zwei nackte muskelstarke Jünglinge hervor, und als die Gestalt des Greises wieder aus der Tiefe auftauchte, schossen sie herzu und hoben ihn mit geschicktem Schwung auf ihre Schultern. »Hurra!« riefen die Jungen, die auf der Höhe standen, und noch einmal »Hurra!« und immer kräftiger, je näher ihre beiden »Swemmers«, zwei jungen Tritonen gleich, mit starken Schlägen den Verunglückten der heimatlichen Erde zuführten.
    Daß Meister Daniel unter einem Hurra der Knaben in die Tiefe gesprungen sei, ist eine Lüge, die schadenfrohe Menschen sich später zugerichtet haben. Die Jugend ist nur selten böse, und der alte Mann mit seinem schönen Vogel hatte den Knaben ja niemals Leid getan. Aber ein halbes Hundert Arme waren bereit, ihn am Ufer seinen beiden Rettern abzunehmen, die jetzt stolz zu ihren Kleidern schritten; ein Paar der Knaben lief nach dem Chausseewärterhäuschen, das nahebei auf dem Damme stand, und die gutmütige Frau, die allein daheim war, öffnete schon die Haustür, durch die nun der ganze Trupp hineinströmte, mit dem Meister, den sie in ihrer Mitte trugen. »Er lebt noch! Er lebt aber noch!« schrien sie der Frau entgegen, und die jugendlichen Gesichter glühten dabei von Lebens- und von Liebesfreude.
    Plötzlich gewahrten sie mitten in ihrem Gedränge ein dürres Frauenfigürchen; sie hatte einen Schäferhut auf ihrem Köpfchen, zwei lange dünne Locken baumelten wie geängstete Schlangen unter ihrem Kinn zusammen. »Riekchen! Mamsell Therebintchen!« erscholl es aus dem Haufen. Und sie war es;
    sie war in Geschäften in der Stadt umher gewesen; sie hatte bei ihrer Heimkehr das Furchtbare erfahren; sie hatte ein großes Wäschestück in einen Papierbogen gewickelt und war fast ohne Besinnung mit diesem Bündel hinterhergelaufen, das sie jetzt auf den glücklich erreichten Tisch warf. »O all ihr lieben Engel«, stieß sie hervor und sank auf einen Stuhl; »wo ist er, ihr Knaben, wo habt ihr den alten Meister Daniel Basch gelassen?«
    Die Knaben aber drängten ihre Köpfe gegen sie und schrien wieder: »Aber er lebt! Er lebt, Mamsell!«
    Da schnellte Riekchen Therebinte wie eine Stahlfeder von ihrem Stuhle auf. »Er lebt?« rief sie.
    »Ja, ja, er lebt! Dreht Euch nur um, so könnt Ihr’s selber sehen!«
    Aber Riekchen drehte sich nicht; wie in Todesangst flog sie auf ihr Bündel zu, bemächtigte sich desselben und war im Augenblick zur Tür hinaus. »Ich lauf zum Physikus! zum Physikus!« rief sie in der Eile noch zurück; dann lief sie wie ein Bruushähnchen auf dem Damme der Stadt entgegen. Die gute Frau des Wärters aber kleidete den Verunglückten sorgfältig in ihres Mannes Wäsche.
    Das auffällige Gebaren des kleinen Mamsellchens hatte freilich seinen Grund: sie hatte dem Meister – so wurde anderntags erzählt – in ihrem Bündel sein vor vierzig Jahren angefertigtes Totenhemd nachgetragen, das dieser ihr tags vorher kraus und vergilbt gegeben hatte, damit sie es mit ihren Linnensachen durch die Wäsche gehen lasse. Sie hatte sich nun doch geschämt, es für den Lebenden auszupacken.
    – – Als aber der Mond aufgestiegen war und von den Häusern der Stadt tiefe Schatten auf die Straße fielen, kam von draußen her ein langer Tragkorb, der in Meister Daniels Haus gebracht wurde; nur der Physikus war nebenher gegangen; Mamsell Riekchen hatte in der Straßentür schon auf den Zug gewartet.
     
    Meister Daniel war in eine schwere Krankheit gefallen; tagelang schon lag er ohne Besinnung; das gute Mamsell Riekchen und die alte Arbeitsfrau saßen abwechselnd Tag und Nacht an seinem Bette. Am ersten Tage schien der Zustand des Greises fast verwirrend auf das kleine Dämchen einzuwirken. »Meister! Meister Basch! Besinnen Sie sich! Sie müssen sich besinnen!« hatte sie ihm, ängstlich hin und her hüpfend und an seinem Hemdsärmel zupfend, zugerufen, aber es hatte nichts verschlagen wollen; auch hatte dann der alte Physikus ihr strenge Ruhe auferlegt, und

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