Werke
dem Arzte war sie stets gehorsam.
Um diese Zeit kam ich gegen Abend von einer dreitägigen Geschäftsfahrt zurück und war oben an der Süderstraße vom Wagen gestiegen, weil ich einem dort Wohnenden das Ergebnis meiner Reise mitzuteilen hatte. Als ich dann später, da schon alle Handwerker Feierabend gemacht hatten, durch die Straße in die Stadt hinabging, sah ich an der offenen Haustür von Meister Daniels Hause den hageren Nachbar Schneider stehen, als ob er mit sonderlicher Befriedigung nach dem Innern hineinhorche.
»Nun, Meister«, sagte ich, in meinem Gange innehaltend, »gibt es in unseres armen Daniels Hause auch einmal wieder Fröhliches zu erlauschen?«
Er wandte sich zu mir und zupfte sich wie zum Gruße in seinen grauen staubigen Haaren. »Freilich, freilich, Herr Landvogt!« sagte er dann; »horchen Sie nur, wie fix das von der Hand geht. Er ist noch immer bei der Arbeit, wird bald unter den Resten aufräumen; schicken Sie nur immer neue Arbeit! Und das Gerät, alles blitzblank, alles amerikanisch! Das arbeitet wie von selber, nun gar, wenn ein solcher Bursch dahintersitzt!«
Der Schneider hustete, wie zur Bestätigung, und zog sich sein grünes Wams über die platte Brust. »Ein Wettersjunge war’s!« stieß er hervor; »und Sie werden’s sehen, Herr, ein Teufelskerl, ein Böttcher aus dem Fundament ist da herausgewachsen!«
Ich sah ihn an, ich verstand sein Gerede nicht; wohl aber hörte ich, jedoch nicht aus der Werkstatt, sondern wie hinten aus dem Hofe und nur schwach herüberhallend, ein Geräusch wie von einem resolut arbeitenden Handwerker.
»Ja«, sagte der Schneider; »dort in dem Ställchen hat er sich eingerichtet; der Alte sollte nicht gestört werden.«
»Lieber Meister«, sprach ich, »warten Sie ein Weilchen! Wer ist der Teufelskerl, der dort im Stall so amerikanisch arbeitet?«
Der Schneider riß die matten Augen auf, daß seine Brauen um einen Zoll weit in die Höhe fuhren, und betrachtete mich von Kopf zu Fuß. »Lieber Herr«, sagte er nachsichtig »ich seh’s, Sie kommen von der Reise, sonst würden Sie’s schon wissen: der Junge, der Fritz Basch ist vorgestern von Kalifornien wieder eingetroffen, und ein Kerlchen, wie ein Zyklop!«
Ich sah den begeisterten Mann etwas verwundert an. »Also«, sagte ich, »ist er in den Minen nicht erstochen worden?«
»Doch, doch, lieber Herr, das Messer hat er schon richtig zwischen den Schultern gehabt; aber er hatte auch noch bessere Freunde als den Hasenfuß, den Amerikaner; sie schleppten ihn in ihr Zelt, da hat er lange gelegen.«
»Und sein Vater, der alte Daniel«, frug ich, »ist er vor Freuden nun nicht gleich gesund geworden?«
Aber der Schneider patschte mit seinen aufgehobenen Händen in die Luft und beschrieb dann mit dem Finger ein paar Nullen vor seiner Stirn: »Wirrig! Noch immer wirrig; er weiß von nichts.«
»Gott besser’s!« sagte ich und sprach das alte Wort wie ein Gebet; ich mochte mir nicht denken, daß der Sohn nur heimgekommen sei, um durch seine Schuld den Vater sterben zu sehen. »Gott besser’s!« sagte ich noch einmal.
Der Schneider nickte: »Ja, ja; aber der Physikus meinte wenn der liebe Gott nur ein wenig helfen wollte, so brächt er ihn wohl durch.«
Das Arbeitsgeräusch vom Hofe, das unser Gespräch begleitet hatte, war plötzlich still geworden; es wurde allmählich dunkel. »Gute Nacht, Meister«, sagte ich; »Gott wird ja gnädig sein.«
Was der Schneider erzählt hatte, wurde bald von allen Seiten bestätigt: Fritz Basch war wirklich wieder da, von Hamburg mit einem hiesigen Fahrzeug angelangt; ein strammer Gesell, etwas größer als der Vater, mit einem braunen Bärtchen auf den trotzigen Lippen und ein Paar Augen, als wollten sie den Vogel aus der Luft herunterholen; die Dirnen und Bursche mochten sich in acht nehmen! Wie im Rausch war er durch Haus und Garten gelaufen und, als er alles leer gefunden hatte, in das Haus zurück; als Mamsell Riekchen ihm hier von der Treppe aus entgegenkam, war er ihr atemlos nach der Giebelkammer hinauf gefolgt; denn was mit seinem Vater geschehen, hatte er schon auf dem Wege vom Hafen nach dem Elternhause durch einen früheren Kameraden erfahren. Stumm war er an Meister Daniels Lager hingesunken, stundenlang hatte er die ehrliche Hand in seiner gehalten, sie gestreichelt und geküßt; stundenlang hatte er auf seines Vaters Angesicht geblickt, als bettle er um auch nur einen hellen Blick; der Meister aber hatte aus seiner Nacht an ihm vorbei nach
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