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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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Liebesmühe; statt der endlich verstorbenen Mutter Hinze wies ich ihr eine Anzahl ungefährlicher und doch gleich hülfsbedürftiger Kranken zu, an denen sie nun ihr Erbarmen übte. Und es ward ihr bald zu Stolz und Freude. »Aber Elsi«, rief ich eines Tages, da die Suppe eher auf den Tisch als sie ins Haus kam, »du läßt ja heut lange warten!«
    »Ja, Franz«, und es klang wie eine amtliche Wichtigkeit aus ihren Worten; »ich habe auch drei kranken Kindern vorgelesen: Fanferlieschen Schönefüßchen, von den Bremer Stadtmusikanten und dann das wirklich wahre Märchen von Jorinde und Joringel!«
    »Das ist ein anderes«, sagte ich; »dann laß uns zu Tische gehen!«, und ich nahm den lieben Arm in den meinen.
    Nicht verschweigen will ich, daß Elsis neue Liebesmühen meinem Heilverfahren oft nicht unwesentlich zu Hülfe kamen.
    So waren drei Jahre etwa uns vergangen; schnell, wie das Glück es an sich hat. Immer wieder tauchte von Zeit zu Zeit von dem nur ihr so Eigenen auf, aber es war stets anmutig, und wenn ich eben aus der nüchternen Welt zurückkam, so war mir oft, als stamme es aus andern Existenzen.
    So, als ich sie an einem sonnigen Oktobermorgen zwischen unseren Tannen wandeln fand, wo sie, wie in ihr Werk versunken, die Fäden der über den Weg hängenden Herbstgespinste auf ein zusammengelegtes rosa Kärtchen wickelte und mir dabei, nicht einmal ihre Augen hebend, entgegenrief: »O bitte, Franz, geh doch den andern Weg!«, oder wenn sie mich bat, einer ungeheuren Kröte, die in unserem Garten ihre Höhle hatte, doch kein Leids geschehen zu lassen, denn wer wisse, was hinter jenen goldenen Augen stecke! Und einmal ich hatte noch nie mit meiner Frau getanzt; ein Arzt wird manchem abgewandt, auch wenn er es früher leidenschaftlich betrieben hat; einmal aber kam ein großer öffentlicher Ball, bei dem, wie ich meinte, auch wir beide nicht fehlen durften. Die Damen der ganzen Stadt waren in Aufregung; in welche Tür mein ärztlicher Schritt mich führen mochte, überall sah ich Wolken weißer oder lichtfarbiger Stoffe auf den Tischen, und oftmals störte ich die heiligsten Toilettengespräche. Nur in meinem Hause war nichts dergleichen; nicht einmal ein Wort darüber hörte ich. »Nun, Elsi«, frug ich endlich, »willst du nicht auch beginnen?«
    »Ich? Oh, ich werde leicht fertig!«
    – »Und brauchst du kein Geld dazu? Ich hab gesehen, daß unsere andern Damen es nicht sparen!«
    »Wenn du mir geben willst: ich brauch nicht viel!«
    Ich hatte vier doppelte Friedrichsdors vor ihr auf den Tisch gelegt, aber sie strich lächelnd drei davon in ihre Hand und gab sie mir zurück; dann nahm sie den letzten. »Der reicht«, sagte sie, »laß mich nur machen!«
    Am Ballabend bat sie mich: »Franzele, du kleidest dich unten in deinem Zimmer an?«
    »Willst du uns scheiden, Elsi?«
    »Nur für ein Stündchen!«
    – – Und es war noch nicht verflossen, da pochte ihr Finger schon an meine Tür. »Herein, holde Elfe!« rief ich, und da stand sie vor mir mit all ihren Toilettenkünsten; ich hatte nicht gedacht, daß sie so einfach waren. Ein möglichst schlichtes Kleid, lichtgrau, von einem weichen durchsichtigen Stoffe, ging bis zum Hals hinauf; als einziger Schmuck umgab ihn eine Schnur von echten Perlen, das einzige Angedenken von ihrer längst verstorbenen Mutter; über den Hüften umschloß ein silbernbrokatener Gürtel die schlanke Gestalt. Das war alles – wenn du den blonden Knoten ihres seidenen Haares nicht rechnen willst, der das schöngeformte Haupt fast in den Nacken zog. Ich betrachtete sie lange, während ihre Augen zärtlich fragend nach den meinen suchten.
    »Ja, Elsi«, rief ich, und ich konnte es nicht lassen, sie stürmisch in meine Arme zu schließen, »du bist schön, zu schön fast für ein Menschenkind! Aber – ist das ein Ballanzug?«
    »Ich weiß nicht«, sagte sie lächelnd; »ich hab mich nun so angezogen, und da du sagst, daß es schön ist...«
    »Laß doch«, rief ich, »mir ist es recht; aber was werden die Damen sagen?«
    In diesem Augenblick hörte ich den Wagen vorfahren, und wir rollten nach dem Saal der Harmonie.
    – – Es war eine der dem Arzte gewöhnlichen Mißschickungen, daß, noch bevor wir eingetreten waren, ein Bote mich im Vorsaal ereilte, welcher mich dringend zu einem meiner alten Patienten berief, der von einem Schlaganfall betroffen sei. Ich führte meine Frau sogleich in den Tanzsaal, zu unserer Frau Käthe, die ihr schon bei unserem Eintritt zugewinkt hatte;

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