Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
Vom Netzwerk:
bevorstehen«, rief sie, mich zum Fortgehen treibend, »ich weiß, ich glaube es bestimmt zu wissen, die Angst würde mich töten, bevor die Qualen ihre Klammern in meinen armen Körper setzten!«
    »Möge das nie geschehen!« sagte ich und schlug den Arm um ihre Hüfte. »Aber was schiltst du deine Feigheit! Die übermäßige Tapferkeit der Frauen war niemals meine Leidenschaft.«
    Sie antwortete nicht darauf, als hätt ich nur um ihretwillen so gesprochen; sie sagte nur: »Nun weißt du es, Franz; liebst du mich noch?«
    »Nur um so mehr, Elsi, da ich dich auch hier zu schützen habe.«
    Dann hatten wir unser Haus erreicht.
    – – Als ich am andern Mittag in die Eßstube trat, kam mir Elsi ein wenig erregt, aber mit auffallend heiterem Angesicht entgegen.
    »Nun«, rief ich, »was hast du? Ist ein Glück in unser Haus gefallen?«
    »Ich habe nichts«, sagte sie, »oder – ich will nicht lügen du darfst es noch nicht wissen!«
    Ich hob drohend den Finger: »Weißt du schon nicht mehr, wie dich Geheimnisse drücken?«
    »Nein, Franz, so ist es nicht; um ein paar Tage sollst du alles wissen! Vielleicht auch bin ich nur so froh, weil du gestern meine Schuld so liebreich von mir nahmst.«
    »Und statt des großen hast du nun glücklich ein kleines Geheimnis dir gewonnen; oh, ihr Weiber!«
    Sie faßte mich um den Hals: »Laß mich’s behalten; nur die paar Tage noch!«
    »Nun«, sagte ich lachend, »du wirst schon wissen, wie weit meine Langmut reicht!«
    Da nickte sie mir zu: »Gewiß, ich will auch gnädig sein!«
    – – Ein paar Tage waren hingegangen, und diese erregte Heiterkeit hatte mich jedesmal empfangen; ich glaubte nun bald dort zu sein, wo das Siegel mir gebrochen werden sollte. Da ich aber eines Mittags ins Haus trat, fand ich Elsi weder im Wohn- noch im Eßzimmer, auch draußen nicht. Auf meine Frage an die Hausmagd wurde mir berichtet: »Frau Doktor sind unwohl und haben sich ins Bett gelegt; Frau Rechtsanwalt leisten ihr Gesellschaft.«
    Ich lief schnell die Treppen hinauf nach unserem Schlafzimmer und sah beim Eintritt schon Frau Käthe an Elses Bette sitzen. »Ja, Doktor«, rief sie mir entgegen, »da liegt unser junger Übermut! Ich denk, Ihr Anblick wird sie wohl am schnellsten heilen.«
    »Den Übermut«, sagte ich, »müssen Sie zuerst an meinem zaghaften Weibe entdeckt haben!«
    »Das wäre möglich, Doktor; aber haben Sie Lateiner nicht ein Sprichwort, daß die Natur selbst mit der Furke nicht herauszutreiben sei?«
    »Nun, und?«
    »Und? – Ja, wart nur, Elsi«, unterbrach sie sich und ergriff deren beide Hände, die sie vom Bett aus mir entgegenstrecken wollte, »ich will es schon erzählen: Sie müssen nämlich wissen, Doktor, dies junge zarte Geschöpf ist seit jenem Ohnmachtsabend in unserem Hause an jedem Vormittage und – nicht wahr, Elsi? – hinter dem Rücken ihres ärztlichen Ehemannes bei jener schrecklichen Patientin, der alten Hinz, gewesen, um sie zu trösten, zu erquicken – vor allem aber, um diesem Ehemann zuliebe eine Radikalkur gegen die Weichheit ihrer eigenen Seele zu vollbringen; da hat nun aber die arme Alte heute ihren Anfall bekommen und diese Kur damit ihr vorschnelles Ende gefunden. Sehen Sie nun selber, wie Sie mit ein wenig Kunst und Liebe den Schaden heilen, den die Rache der Natur unserem Kinde zugefügt hat.«
    Ich hatte mich indessen auf den Rand des Bettes gesetzt; ich sah, daß Else stark geweint hatte, und ihr Puls schlug wie im Fieber. Sie legte ihre heiße Stirn auf meine Hände: »Es ist so, Franz, wie Käthe es dir gesagt hat, und das ist die traurige Lösung meines Geheimnisses; ich wollt dir eine Freud machen, und es ist nun Trübsal.«
    Ich suchte sie zu beruhigen, da sie wieder in Tränen ausbrechen wollte. »Du bist in die Gefahr hineingegangen«, sagte ich, »und das war Tapferkeit genug; was du mehr wolltest, lag außer den Grenzen deiner Kraft. Daß du es mir zuliebe gewollt hast, dafür lieb ich dich um so mehr, aber versuchen wollen wir es nicht wieder. Bleib nur heute ruhig, so kannst du morgen schon das lateinische Sprichwort von der Furke lernen!«
    Und Elsi lächelte mich dankbar an.
    – – Den lateinischen Vers, ich meine: des Horaz, lernte sie wirklich am andern Tage schon, während wir beide miteinander im Garten auf und ab wandelten; sie lernte ihn sogar auswendig.
    »Naturam expellas furca, tamen usque recurret. Siehst du«, sagte sie, »nun kann ich’s auch!«
    Nach diesem Scherze gab ich ihr Ersatz für die verlorene

Weitere Kostenlose Bücher