Werke
feinen Profil ihres Angesichts, das sich klar von dem dunklen Hintergrund des Zimmers abhob.
Eine Weile konnte ich sie so betrachten, ohne daß mir die leiseste Bewegung ihres Körpers kundgeworden wäre. »Elsi!« rief ich leise.
»Ja?« erwiderte sie wie traumredend; »ich komme!« Wie ein Erwachen schien es plötzlich ihre schlanken Glieder zu durchrinnen; sie rieb mit ihren weißen Händen bedächtig sich die Augen. »Ach du, Franz!« rief sie und lag im Augenblick in meinen Armen.
»Was war das, Elsi?« frug ich.
– »Ich weiß nicht. Was war es doch? – Ich meinte, ich sei bei dir, und ich war es nicht; und da riefst du mich. Aber du kommst aus deiner Praxis, du mußt jetzt ruhen!«
Sie hatte mich zu einem Lehnsessel gezogen, und als ich mich hineingesetzt hatte, kniete sie vor mir nieder und streckte die Arme mir entgegen. Ich war ermüdet, aber nicht so sehr, um nicht noch mit Entzücken auf den schöngeformten Kopf meines Weibes zu blicken; ich hatte ihre Hände in die meinen genommen, und so saßen wir, ohne zu sprechen; nur ihre lichtgrauen Augen sahen unablässig und immer forschender in die meinen. Es war seltsam, daß es mir – ich kann’s nicht anders ausdrücken – unheimlich unter diesem Blicke wurde; zugleich aber kam jener süße Schauder über mich, der mir damals von meinem Nachtgesicht geblieben war.
»Elsi«, sagte ich endlich, »was siehst du so mich an?«
Ich sah, wie sie zusammenzuckte. »Soll ich das nicht?« frug sie dann leise.
»Deine Augen sind so gespenstisch, Elsi!«
Sie sah mich dringender an. »Du!« sagte sie heimlich und verstummte.
– »Was denn, geliebte Frau?«
»Du, Franz, wir müssen uns früher schon gesehen haben!«
Der Atem stand mir still, aber ich sagte nur: »Wir sehen uns jetzt schon in das vierte Jahr; von früher weiß ich nichts.«
Sie schüttelte ihren blonden Kopf: »Ich mein es ernsthaft; du sollst keinen Scherz daraus machen! Nein, weit, viel weiter zurück – aber ich kann mich nicht entsinnen; es war vielleicht im Traum nur; ich muß noch ein halbes Kind gewesen sein.«
Es durchlief mich, ich bebte vor dem, was weiter kommen könne; aber ich faßte mich, und indem ich sie sanft zu mir hinaufzog, sagte ich: »Das ist so zwischen Liebesleuten; mir ist es auch wohl so gewesen, als hätten unsere Seelen sich gesucht, bevor noch unsere Leiber sich gefunden hatten; das ist ein alter Glaube, Elsi.«
Sie antwortete nicht, aber sie strickte ihre Arme fest um meinen Hals und drückte ihre Wange an die meine; ihre Augen suchte ich vergebens noch zu sehen, denn der Dämmerungsschein war erloschen, und durch das Fenster funkelte von fern der Abendstern. »Franz!« hauchte sie endlich.
– »Ja, Elsi?«
»Halte mich fest, Franz! Noch fester! Oh, mir ist, als könnte man mich von dir reißen!«
Ich preßte sie heftig an mich, aber sie erhob schmerzlich lächelnd ihr Antlitz: »Es hilft dir nicht, Franz; wir müssen doch wieder voneinander!«
– – Als ich später in meinem Zimmer mit mir allein war, überkam mich ein Schrecken über diesen halbvisionären Zustand; mit halben Gedanken ging ich auf und ab; bald griff ich, als sollte mir daraus eine Offenbarung werden, nach diesem oder jenem medizinischen Buche, das unter den andern auf dem Regal stand, und setzte es, meist ohne es nur aufgeschlagen zu haben, wieder an seinen Platz; ich fühlte mich plötzlich unsicher gleich einem Neuling. Da flog’s mir durch den Kopf: wir hatten noch immer kein Kind; eine Fehlgeburt war am Ende des ersten Ehejahres gewesen und nicht ohne nachbleibende Schwächen überwunden worden – wenn es das, wenn es das erste Zeichen eines neuen Lebens wäre!
Der Keim eines solchen wirkt ja oft wunderbar genug in der jungen Mutter. Ich hatte bisher die Kinder nicht vermißt; aber ich war mir wohl bewußt gewesen, daß ich dereinst nach den Nichtgeborenen so sehnsüchtig wie vergebens die Arme ausstrecken würde.
Und so beruhigte ich mich; ich beobachtete dann, ich frug mein Weib; aber sie selber wußte von nichts; ich glaube, sie hatte mich kaum verstanden. Und bald sah auch ich, daß diese Hoffnung eine eitle gewesen sei; außer einem leichteren Ermüden und einer vermehrten Zärtlichkeit zu ihrem Manne bemerkte ich nichts Auffallendes an ihr.
Da eines Tages kamen Schmerzen, nur leichte, vor denen sie selber nicht erschrak; aber der Ort, wo sie hervortraten, wollte mir nicht gefallen. Sie hatte sich ins Bett gelegt, aber sie konnte am folgenden Tage wieder aufstehen.
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