Werke
sie ließ einen hellen Blick über Elsis Gestalt schweifen. »Du bist apart«, flüsterte sie, »aber entzückend!« Dann gab sie ihr Raum neben sich und machte sie mit ihrer einen Nachbarin bekannt, die meine Frau noch nicht gesehen hatte. Aber ich mußte fort; noch sah ich, wie die Weiber ihre Augen auf sie wandten, wie aus einem Haufen der Tänzer mit einer Kopfwendung oder leisem Fingerzeig auf sie gedeutet wurde und, da plötzlich die Tanzmusik einsetzte, mehrere derselben auf meine schöne Elbin zusteuerten; dann, nach einem hastigen Händedruck von ihr, ging ich in die kalte Nacht hinaus.
– Als ich spät, ich hörte hinter den Gassen schon die Hähne krähen, in den Tanzsaal zurückkehrte, flog Elsi mir entgegen. »Wo stand der Tod?« frug sie ernst, »zu Häupten oder am Fußende?«
»Nach dem Märchen«, erwiderte ich, »stand er zu Häupten; der alte Herr ist diesmal noch vor ihm bewahrt. Aber du hast ja gar keine heißen Wangen, Elsi; hast du nicht viel getanzt?«
»Gar nicht!« sagte sie.
»Was sagst du? – Und weshalb denn nicht?«
»Ich mochte doch nicht tanzen, indes du mit dem Tod verkehrtest! Auch«, und sie hob sich zu meinem Ohr, während wir in der Tanzpause im Saale auf und ab gingen, und flüsterte, »weißt du, Franz, ich tanz nicht gern; wohl einmal so mit einer jungen Sechzehnjährigen, nicht mit Männern; sie tanzen so schwer, das macht mich krank!«
Da fiel die Musik ein, und der Saal ward plötzlich wieder lebendig. »Komm, Franz!« rief sie; »nun laß uns tanzen; es ist der letzte auf der Karte, da können die andern mich nicht mehr plagen!«
»Aber du magst ja nicht mit Männern tanzen!«
– »Oh, wie du reden kannst! Ich bin ja dein!«
»Und was sollen deine Abgewiesenen sagen?«
»Ich weiß nicht. Wir wollen tanzen!«
Und wir tanzten miteinander; nur dies eine Mal in unserem Leben. Du weißt, Hans, ich war einst ein leidenschaftlicher Tänzer, und ich meine, auch kein ungeschickter; aber jetzt war mir, als würden meine Füße beflügelt, als ströme eine Kraft, die Kunst des Tanzes, von meinem Weibe auf mich über, und dennoch – mitunter befiel mich Furcht, als könne ich sie nicht halten, als müsse sie mir in Luft zergehen.
»Oh, das war schön!« hauchte Elsi; »wie liebe ich dich, Franz!«
Ich ließ das alles wie einen stillen Zauber über mich ergehen, denn – und das gehört wohl noch zu dem Bilde dieser Frau – der Haushalt ging desungeachtet unter ihren Händen wie von selber; ja, ich habe nie gemerkt, daß überhaupt gehaushaltet wurde; es war, als ob die toten Dinge ihr gegenüber Sprache erhielten, als ob sie ihr zuriefen: »Hier in der Ecke steckt noch ein Häufchen Staub, hier ist ein Fleck, stell hier die Köchin, hier die Stubenmagd!« Es war wie im Märchen, wo es dem Kinde beim Gange durch den Zaubergarten aus den Apfelbäumen zuruft: »Pflück mich, ich bin reif!« »Nein, ich noch reifer!« – Von der Wirtschaftsunruhe, an der so viele Ehen kranken, habe ich niemals was erfahren. Doch ich habe weiter zu berichten, denn die Zeit des Glückes war nur kurz.
– – Es war an einem Maiabend unseres vierten Ehejahres, als ich von einer ermüdenden Praxis nach Haus zurückkehrte. Da es still und mild war, ging ich zunächst in den Garten, wo ich bei solchem Wetter und um diese Zeit meine Frau zu finden pflegte; ich ging die Steige durch die Tannen, zuletzt noch unten nach dem Rasen, der, wie wir schon im Herbst bemerkt hatten, ganz mit Veilchen durchsetzt war; aber die bescheidenen Blumen, die um Mittag den Platz mit Duft erfüllt hatten, waren in der herabsinkenden Abenddämmerung kaum noch sichtbar. Es war hier alles leer; auch Else war nirgend zu sehen, und so wandte ich mich und ging wieder dem Hause zu. Als ich nach den beiden Fenstern unseres Wohnzimmers hinaufblickte, die hier hinaus im oberen Stocke lagen, sah ich, daß sie ganz von dunklem Abendrot wie überströmt waren; aber auch dort schien es einsam. Niemand schaute hinter ihnen zu mir hinab.
Unwillkürlich nahm ich meinen Weg dahin, nicht ahnend, welch ein befremdender Anblick mich erwartete. Als ich eintrat, sah ich Else mitten im Zimmer stehen, aber sie schien mich nicht bemerkt zu haben; und jetzt gewahrte ich es, sie stand ohne Regung, wie ein Bild, die linke Hand herabhängend, die rechte, wie beklommen, gegen die Brust gedrückt.
Gleich einer Verklärung lag der rote Abendschein, der durch die Scheiben brach, auf den herabfließenden Falten ihres lichtgrauen Gewandes, auf dem
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