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Wernievergibt

Wernievergibt

Titel: Wernievergibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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Viererabteil für uns allein. Zwei Betten unten, zwei oben. Alles blitzblank und hochmodern. Juliane war bereits wie ein Affe auf ihres geklettert und hielt eine Vorlesung, während unsere Dolmetscherin auf dem Gang stand und unentwegt telefonierte. Der Schaffner kümmerte sich rührend um uns. Er schaltete den nutzlosen Fernseher aus, in dem der isländische Vulkan gezeigt wurde, der wie ein Riesenbovist eine gigantomanische Masse an Asche in die Atmosphäre pustete. Er reparierte die Leselampe an meiner Schlafstätte, brachte frisches Bettzeug und fragte in passablem Englisch, ob wir irgendetwas brauchten. Wir verneinten höflich.
    Der Nachtzug nach Batumi war auf die Minute pünktlich vom Tbilisser Hauptbahnhof abgefahren. Wir bewegten uns exakt nach Westen, auf die Küste des Schwarzen Meeres zu. Fast alle Passagiere standen auf dem Gang und rauchten bei offenen Fenstern. Im Abteil wurde es schnell heiß. Ich zog die Schuhe aus und hockte mich im Schneidersitz auf mein Bett. Eine Anderthalbliterflasche Mineralwasser aus meinem Rucksack ziehend, bat ich: »Noch mal von vorn.«
    »Hörst du schwer?«, gab Juliane zurück. »Oder hörst du einfach nicht zu?« Wie sie da auf dem Stockbett saß, die bejeansten Beine baumeln ließ, barfuß, die Fußnägel rot lackiert, in einem roten T-Shirt, auf dem ›Worldcup 2010‹ stand, konnte ich nicht mehr an mich halten. Ich lachte los.
    »Aha.«
    »Entschuldige, Juliane, das sieht einfach so witzig aus, du dort oben, ich hier unten …«
    »Genau, Herzchen. Ich schwimme auf der Welle und die Welle ist das Meer.«
    »Nein, die Welle ist nicht das Meer, sondern nur eine bestimmte Ausprägung seiner Form.«
    »Also wissen Se, nee! Solche Spitzfindigkeiten! Und das mitten in der Nacht.«
    Wir kicherten beide. Ich freute mich auf die Küste, hoffte auf frische Luft, Erholung, eine neue Sicht der Dinge. Begreiflicherweise rechnete ich damit, dass sich das Chaos der letzten Tage lichten würde. Am liebsten wäre mir, wir kämen zurück nach Tbilissi und stellten fest, dass es weder Mira noch Clara je gegeben hätte. Dass sie einfach eine hitzköpfige, fantastische Aufbäumung waren. Etwas Ungewisses, das aus einer turbulenten Novelle herausgetreten war, um ein paar übererregbare Feuilletonisten zu beschäftigen. Was jedoch keine Herausforderung, schlicht kein Geschäft für einen Ghost darstellte.
    »Ich bin wirklich ein Geist«, murmelte ich halblaut.
    »Schnullerbacke, es ist nicht die Stunde der Selbstreflexion«, ließ sich Juliane vernehmen. »Hör zu: Es gibt drei Punkte, von denen ich meine, dass sie wichtig sind, um die diversen kaukasischen Knoten zu durchschlagen.«
    »Schieß los.« Mir kam Bert Brecht in den Sinn. Ein Kreidekreis. Kein Knoten.
    »Zum einen: Mira forscht in einer politischen Sache, die ins Mafiamilieu führt. Wie weit hat sie sich aus dem Fenster gelehnt? Sie war ja nicht naiv, schätze ich, wenn sie in Kriegsgebieten im Einsatz war. Sie wusste, was sie tat. Machte sie es jemandem leicht, sie umzubringen?«
    Ich nickte, ohne zu verstehen. Mein Hirn hatte vorübergehend auf Stand-by geschaltet. Das passierte in diesem Land alle paar Minuten. Auf dem Gang stritten ein paar Männer. Ihre Stimmen schwollen an, überschlugen sich, knallten gegen die Wände des Zuges. Kleine Plänkeleien wurden hier schnell explosiv.
    »Zweitens: Isolde braucht Clara. Jedenfalls ihr Geld. Weshalb, so frage ich dich, umgarnt sie sie dann nicht, macht ihr Komplimente und Geschenke, hegt und pflegt sie? Ganz im Gegenteil, sie mäkelt an ihr herum, lässt sie allein im Hotel sitzen, pickt sie in einem Restaurant auf und lässt sie in aller Öffentlichkeit auflaufen.«
    »Weil sie sauer auf Clara war.« Ich trank von dem Wasser in großen Schlucken. Es war salzig wie Meerwasser.
    »Isolde ist nicht dumm!« Juliane streckte die Hand aus.
    Ich gab ihr die Flasche. »Vielleicht nicht dumm, aber ein bisschen beschränkt?«
    »Ach was, Eierköpfchen! Sie ist innerlich versaut von Argwohn und Missgunst. Sie erträgt nicht, dass Clara berühmt ist und sie nicht.«
    »Wobei Clara mit all ihrem Ruhm nicht glücklich geworden ist.«
    »Das liegt nicht am Ruhm, den sie sicherlich verdient. Sondern daran, dass niemand sie liebt.«
    »Tamara vielleicht«, warf ich ein. »Sie sagte, sie wäre so etwas wie Claras Ersatzmutter.«
    »Ja, bloß lebt sie in Georgien, und Clara ist die meiste Zeit des Jahres eben nicht hier.«
    »Trotzdem ist es besser, jemanden zu haben, selbst wenn er Tausende

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