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Werwelt 01 - Der Findling

Werwelt 01 - Der Findling

Titel: Werwelt 01 - Der Findling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Stallman
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ihm auf, wie es ihn da im strömenden Regen angeblickt hatte, nasse graue Haarsträhnen über den sterbenden Augen. Er erinnerte sich des nackten Entsetzens in Tante Cats Blick und seines eigenen übermächtigen Bedürfnisses, zu ihnen allen zurückzukehren, und zu seiner schönen Vaire und der tapferen Anne, um sie zu lieben, wenn er das Lieben gelernt hatte. Ach, wüßte er doch nur, wie man liebte! Nun würde er es niemals lernen können. Er mußte fort, in die Nacht hinauslaufen und sich wieder verstecken, und er dachte an die schmutzigen Männer unter der Eisenbahnbrücke, an ihre kranken Körper und an ihre Grausamkeit, und an die Hunde auf dem Hof und die Schlangen im Hühnerhaus. Er dachte an die Tage, als er mit Martin im Kuhstall gewesen war, und sie die Katzen mit Milch bespritzt hatten. Das alles war jetzt vorbei. An Rusty dachte er und an den Geruch seines Körpers und seinen kalten Haß, der wie fauliger Fisch gestunken hatte, und er erinnerte sich, wie es gewesen war, mit Willie im Regen herumzuspringen, er dachte an das Sandwich-Spiel und Anne, wie sie ihm aus dem Buch über den Hund Strolch vorgelesen hatte, und jetzt mußte er fort, mußte für immer ein anderer werden, weil sie ihn gezwungen hatten, etwas zu tun, das er gar nicht tun wollte. Vor allem dieser Mr. Sangrom. Es freute ihn, daß die Klauen versehentlich herausgeschossen waren, denn jetzt gab es keine Möglichkeit mehr, wieder in die Familie zurückzukehren, keine Möglichkeit für diese Menschen, ihn, Robert, kennenzulernen, weil sie ihn mit Gewalt zu etwas anderem gemacht hatten und es nicht möglich war, das ungeschehen zu machen; es gab nicht mal eine Möglichkeit, zu diesem Nachmittag zurückzukehren, nicht in die Höhle zu gehen, nie wieder das Spiel mit Willie zu spielen, zum Abendessen überhaupt nicht heimzukommen, sondern davonzulaufen und sich unter der Veranda zu verstecken, damit Mr. Sangrom unverrichteter Dinge wieder abziehen würde und all das, was geschehen war, nicht geschehen würde. Es gab keine Möglichkeit, es einen anderen Moment sein zu lassen als den jetzigen, wo all diese gräßlich fremden Menschen um ihn herumstanden und ihn haßten, Angst vor ihm hatten. Es gab keine Möglichkeit, die Zeit zu wenden. Es konnte nur jetzt sein, jetzt!
    Robert schrie auf und stürzte direkt auf Mr. Sangrom zu, der zurückschreckte, so daß Robert an ihm vorbei durch die Fliegengittertür laufen konnte, die Stufen der Veranda hinunter in die warme Dunkelheit. Während er die schwarzgeteerte Straße zu den Laternen in der Ecke hinunterrannte, deren Licht im Schleier seiner Tränen zu glitzern und zu funkeln schien, hörte er eine Frauenstimme, die seinen Namen rief.

Teil II

    Zweite Person

1

    Es gibt vieles, was ich über diese Welt, in der ich nun schon seit einiger Zeit lebe, nicht weiß. Ich muß leben lernen, mir mehr Wissen über die Menschen, ihre Gewohnheiten und ihre Fähigkeiten aneignen. Jetzt bin ich immer auf der Hut, wandere des Nachts, versuche nicht, mich zu verwandeln. Ich fange keine Schwingungen von Furcht oder Beunruhigung aus den Häusern auf, in deren Nähe ich mich des Nachts niederlasse. Es hat keine allgemeine Beunruhigung um sich gegriffen. Ob man den Jungen sucht, weiß ich nicht, und es kann mich im Augenblick auch nicht kümmern. Ich wandere in südwestlicher Richtung, einem Gefühl folgend, das ich nicht in Frage stelle. Nie raste ich lange genug, um daran zu denken, eine Höhle oder ein Schlupfloch zu bauen, lege mich nachts einfach im Unterholz, im Schutz von Hecken, in leerstehenden Stallgebäuden zum Schlaf nieder. Einmal nächtige ich in einem verlassenen Haus auf einer alten Matratze. Die Landstreicher, die dort untergekrochen waren, hielten mich in der Finsternis für einen großen verwilderten Hund, als ich erwachte und sie anknurrte. Aber schön ist dieses Wanderleben nicht, und zum erstenmal finde ich keinen Spaß daran, durch die Nacht zu traben. Das Wetter ist immer noch regnerisch. Gewitter und Regenschauer bei Tag und bei Nacht weichen die Erde auf, und ich kann es manchmal nicht vermeiden, Spuren zu hinterlassen.
    So viele Felder, wo die Ernte eingebracht wird, muß ich umgehen, so viele Bäche und Flüsse durchqueren, so viele Zäune überspringen, so viele Ortschaften und Höfe mit ihren allgegenwärtigen Hunden meiden.
    Heute Nacht liege ich zusammengerollt in einem großen Abflußrohr aus Beton, das von einem sandigen Ufer über einem weiten See hängt, dessen andere Seite ich

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