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Werwelt 01 - Der Findling

Werwelt 01 - Der Findling

Titel: Werwelt 01 - Der Findling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Stallman
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mir jetzt, wo ihr es mit eigenen Augen gesehen habt?«
    »Sehen Sie nur, was der Dämon mir angetan hat«, jammerte Mr. Sangrom, und sein Mund lächelte nicht mehr, sondern war weinerlich verzogen. Sein glänzendes Haar hing ihm in klebrigen Strähnen unordentlich in die Stirn. »Das ist keine Arbeit für einen Spiritisten«, erklärte er mit seiner dünnen, gekränkten Stimme. »Sie brauchen einen Dompteur, einen Käfig.«
    Er wandelte unablässig hin und her, während er sprach, und hielt seine verletzten Hände hoch, so daß alle sie sehen konnten. Walters Kopf folgte mechanisch dem Auf und Ab seiner Bewegung, wie ein bewegliches Ziel in einer Schießbude.
    »Nun, Mr. Sangrom«, sagte Vaire, die aus der Küche zurückkehrte, wohin niemand sie hatte gehen sehen. »Wickeln Sie das feuchte Tuch um Ihre Hände. Oben hab’ ich Jod. Ich hole es.«
    Mr. Sangrom packte seine Hände ein, doch in diesem Hause wollte er nicht bleiben. Auf unsicheren Beinen marschierte er zur Haustür, wobei er einen weiten Bogen um Robert machte, der neben seinem umgestürzten Stuhl stand. In seinem Nachthemd klaffte ein langer Schlitz.
    »Nein. Nein, danke, Mrs. Woodson«, sagte Mr. Sangrom. »Dieser Fall ist für mich erledigt. Mrs. N, ich fürchte, ich bin für Sie nicht der Richtige. Ich bin ein Spiritist und ein Hypnotiseur. Ich bin kein Teufelsaustreiber, ich befasse mich nicht mit solchen Dingen, wie ich sie heute Abend erlebt habe. Ich bin es nicht gewöhnt, mit solchen körperlichen, solchen entsetzlichen Dingen umzugehen.«
    Er blieb weiterhin an der Tür stehen, wohl wissend, daß Mrs. Nordmeyers Auto seine einzige Hoffnung auf rasches Wegkommen war, und doch von dem Wunsch beseelt, aus diesem Haus zu stürzen, als stünde es in Flammen.
    Robert war jetzt wach, blickte von Tante Cat zu Vaire und dann auf den verängstigten Mr. Sangrom, der jetzt so gar keine Ähnlichkeit mehr mit dem übertrieben höflichen Mann hatte, der seine weißen Hände vor Robert auf den Tisch gelegt und ihn gebeten hatte, seine eigenen daraufzulegen. Traurigkeit stieg in ihm auf, als er diese Menschen betrachtete, die schöne Vaire, die unfähig war, ihm direkt ins Gesicht zu sehen, Walter, der den Kopf seitlich geneigt hielt, das Gesicht noch immer schlaff in einem Ausdruck der Entgeisterung, und der Robert überhaupt nicht ansah; und Tante Cat, die ihm mit einem harten, unerweichlichen Blick in die Augen starrte, als wollte sie ihn hassen. Er begriff, was geschehen war, und begriff auch, daß er hier nicht bleiben konnte, daß er vielleicht nicht einmal er selbst bleiben konnte; begriff, daß dies vielleicht seiner letzten Nacht auf Erden gleichkam, denn nur mit diesen Menschen konnte er er selbst sein. Und er hatte diesen Menschen etwas Unverzeihliches angetan. Er wollte weinen, aber er konnte nicht. Er stand nur reglos da und sah zu, wie die Menschen um ihn herum langsam wieder zu sich selbst fanden, nach dem entsetzlichen Schock, den er ihnen versehentlich versetzt hatte, allmählich wieder sie selbst wurden.
    Walters Augen verloren den glasigen Blick, und er begann auf die alte, selbstbewußt männliche Weise von Massenhypnose zu sprechen, erklärte, Sangrom hätte sie alle miteinander hypnotisiert. Tante Cat fing an, ihn zu beschimpfen, fluchte, wie Robert es nie zuvor von ihr gehört hatte. Vaire redete unterdessen beruhigend auf Mr. Sangrom ein, der noch immer an der Tür stand und fortwollte und furchtsame Blicke auf Robert warf.
    Robert hörte und sah sich das alles an, während seine Finger den langen Riß in seinem Nachthemd hinunterglitten, den er mit seinen kleinen Händen nicht hätte machen können. Er wußte, wie dieser Riß zustandegekommen war, und er wußte auch, daß es nicht seine Schuld war. Er wurde plötzlich zornig, zornig auf diese erwachsenen Menschen, die ihm jetzt etwas Schreckliches antun würden, wo er doch nichts gewollt hatte, als mit ihnen zu leben, sie zu lieben und zu erfahren, wie es war, ein kleiner Junge zu sein, der mit anderen Kindern aufwuchs; wo er doch nichts gewollt hatte, als ein kleiner Junge zu sein und geliebt zu werden. Immer zorniger wurde er, so daß sein Gesicht sich mit Blut füllte, und er dachte daran, wie Mr. Duchamps vom Hagel niedergeschlagen worden war und Willie um ihn geweint hatte, und wie der breitschultrige Mann dann aus dem eisigen Gras aufgestanden war und Willie geschlagen und zu Boden geschleudert hatte. Er dachte daran, wie Willie Anne verletzt hatte, und Martins Gesicht stieg vor

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