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Werwelt 01 - Der Findling

Werwelt 01 - Der Findling

Titel: Werwelt 01 - Der Findling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Stallman
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Aber das konnte er doch noch gar nicht wissen. Das war doch noch gar nicht geschehen. Es hatte also alles seine Richtigkeit, und er konnte sowieso nichts ändern. Das Mächtige bäumte sich auf gegen sein Wollen, alles stillstehen zu lassen. Eine Stimme sagte: »Ja, so, laß es kommen! Laß es kommen!« Und nun gerieten die Dinge wieder in Bewegung. Der rothaarige Mann stieß Vaire gegen den Tisch. Schneller bewegte sich jetzt alles, wo sein Zaudern vergangen war, und das stille Bild wurde verdrängt von nunmehr sich rasch abspulenden Szenen. Die Zeit schritt fort, und der rothaarige Mann wollte Vaire mit sich fortziehen, um ihr Böses zu tun. Jemand sagte: »Sie braucht Hilfe! Robert! Hilf ihr! Hilf ihr!« Und jetzt stößt der Mann Vaire an seinem Stuhl vorbei. Es geschieht wirklich. Ich muß sie retten. Ich werde zubeißen …
    Ich erwache bei der Verwandlung, fühle mich desorientiert und außerhalb meiner selbst. Nie zuvor habe ich so empfunden. Das Zimmer wächst ganz unerwartet um mich herum. Es ist, als wäre ich zu früh aus dem Winterschlaf geweckt worden. Fremde Menschen im Raum, gefährliche Menschen. Hier kann ich nicht sein. Ich drücke gegen den Tisch, wo steht er? In der Küche des Bauernhauses, wo Rusty, nein, im Eßzimmer des Hauses der Woodsons. Wer ist dieser dunkelhaarige Mann mit dem aufgerissenen Mund, der aussieht, als wollte er schreien? Mit Wucht stoße ich den Stuhl zurück und den Tisch nach vorn und denke angespannt, ›Robert!‹
    Tante Cat und Vaire schreien in der gleichen Tonlage auf, ganz harmonisch. Die ältere Frau springt so heftig auf, daß ihr Stuhl umkippt und krachend auf den Boden schlägt, und am anderen Ende des Zimmers steht Vaire vor der Fensterbank und hält die Hände auf den Mund gepreßt. Walter schlägt sich den Kopf an der Wand hinter dem Stuhl an und stößt einen Fluch aus. Jetzt zieht der Mann mit dem geschniegelten Haar seine Hände unter irgend etwas hervor, das auf dem Tisch liegt, und kreischt im Falsett, während der Tisch quietschend über den gewachsten Boden rutscht. Roberts Stuhl stürzt unter dem Gewicht eines Wesens nach rückwärts, das viel größer ist als er.
    Mr. Sangrom stolperte, als er vom Tisch wegsprang, schlug so hart gegen das Sideboard, daß die Lampe zu Boden fiel und zerbrach. Der Glühdraht erlosch mit bläulichem Schein, und das Zimmer blieb in Dunkelheit zurück.
    »Licht!«
    »Hilfe! Hilfe! Helfen Sie mir doch«, schrie eine unbekannte Stimme vom Boden neben dem Tisch. Mr. Sangrom lag dort unten.
    Die Lichter flammten auf, als Walter auf den Schalter der Deckenbeleuchtung drückte. Das Eßzimmer war plötzlich von grellem Licht durchflutet. Die beiden Frauen hörten auf zu schreien. Mr. Sangrom lag in einem wirren Bündel mit seinem Stuhl und der zertrümmerten Lampe auf dem Boden. In zimperlicher Manier rang er die Hände. Die beiden Frauen standen an gegenüberliegenden Enden des Tisches und blickten auf Robert, der aus leeren Augen, als wäre er immer noch im Traum, über den Tisch hinwegstarrte.
    »Meine Hände«, jammerte Mr. Sangrom in erbarmungswürdigem Ton und hielt die Hände hoch, so daß die Frauen sie sehen konnten. »Er hat mich mit seinen Klauen zerkratzt, der Dämon hat seine Klauen in mich geschlagen«, wimmerte er.
    Beide Handrücken waren von mehreren langen, tiefen, blutigen Kratzern durchzogen. Walter ging zum Tisch. Sein Gesicht zeigte Entgeisterung, als er Mr. Sangroms Hände nahm und mit ungläubigem Staunen auf sie hinunterblickte.
    »Heiliger Jesus«, sagte Walter verdattert, während er Mr. Sangroms Hände in den seinen – hielt, als wollte er mit ihm zum Tanz gehen. »Schaut euch das an.«
    Robert setzte sich von Schwäche übermannt auf den Boden. Er wachte gerade erst auf. Was war geschehen? Ich bin zu benommen, frage mich noch immer, ob ich mich verwandelt habe oder nicht. Ich habe geschlafen, und ich soll mich im Schlaf verwandelt haben? Das habe ich nie getan, und ich glaube, daß es unmöglich ist. Aber irgend etwas hatte meine Sinne zu voller Wahrnehmung aufgerührt, während Robert noch als Person zugegen ist. Robert hatte ein Gefühl von Schwerelosigkeit, so, als könnte er auf einem Lufthauch davonfliegen. Er stand auf und betrachtete die Erwachsenen im Zimmer. Sie sahen ihn alle mit entsetzten Gesichtern an, und der dunkelhaarige Mann wedelte seine blutigen Hände vor seiner Nase hin und her.
    »Glaubt ihr mir jetzt?« fragte Tante Cat, die kerzengerade am Ende des Tisches stand. »Glaubt ihr

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