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Werwelt 01 - Der Findling

Werwelt 01 - Der Findling

Titel: Werwelt 01 - Der Findling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Stallman
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Dank, Madame«, versetzte er und spurtete hinaus in die frostige Nacht.
    Obwohl er unterwegs zweimal seine Fliege verlor, erreichte er doch schließlich den Hof der Baileys. Keuchend blieb er draußen vor dem weißen Tor stehen und brachte sich in Ordnung, während er auf das große Haus mit der elektrischen Beleuchtung blickte, das wie ein Hotel in der Stadt glitzerte. Er wartete noch einen Moment, bis sein Atem wieder ruhig ging, und überlegte, was wohl an diesem Abend geschehen würde. Dann warf er einen letzten Blick auf das Haus, holte noch einmal tief Atem und marschierte den Weg hinauf zu der großen weißen Tür mit den Milchglasscheiben zu beiden Seiten, um zu klopfen.
    Im strahlenden Licht der Verandalampe kam er sich vor wie ein Schauspieler auf der Bühne, als die Tür sich öffnete, und Mrs. Bailey, drall und hübsch, ihn mit einem strahlenden Willkommenslächeln hereinbat.
    »Komm herein, Charles«, sagte sie und legte ihm eine Hand auf den Rücken, um ihn ins Vestibül zu führen. »Darf ich?« fragte sie und überging es dann einfach, als sie merkte, daß er keinen Mantel hatte. »Es ist heute Abend ziemlich frisch draußen, nicht wahr?«
    »Ja, Madame«, antwortete Charles, der langsam weiterging, als sie ihn mit leichter Hand dem Stimmengemurmel entgegenschob, das er aus dem Wohnzimmer hörte. »Der richtige Abend für einen Sprint, ich meine, für einen Spaziergang«, sagte Charles grinsend.
    »Hier ist unser junger Held«, rief Mrs. Bailey in das Zimmer voller Menschen hinein, die Charles plötzlich alle wildfremd schienen. Das Gespräch versiegte einen Moment lang, während sich alle umdrehten, ihm entgegenzublicken.
    »Hallo«, sagte Charles lächelnd, mit einer etwas künstlichen Munterkeit.
    Doch da tauten sie alle auf und nahmen wieder vertraute Proportionen und Gesichter an. Betty kam ihm entgegen, ihn willkommen zu heißen. Ihr schönes ovales Gesicht war noch strahlender als sonst, ihr Haar schimmerte wie glänzendes Mahagoni im elektrischen Licht, die Augen leuchteten unter den dunkel gefärbten Wimpern. Sie sah aus wie mindestens zwanzig in ihrem Tanzkleid, das tief ausgeschnitten war, um ihren Busen zu betonen. Er sah die Portola-Zwillinge mit scharlachroten Mündern, beide in festlichen Kleidern mit Volants an den Röcken und gewagten Dekolletes; Douglas’ Bruder Carl war da, Kick und Carol Jones, Brenda Gustafson und Paul Houlton, und sogar der große, verschlossene Waldo Wickham war gekommen. Es waren auch noch andere Gäste da, die Charles nur flüchtig kannte. Alfred präsentierte sich im offenen Hemd mit seidenem Schal um den Hals – ein Ascot nenne man das, flüsterte Waldo –, und Mr. Bailey glänzte in einem dunkelgrauen Nadelstreifenanzug mit einer seidenen Krawatte und sah aus wie ein Edelgangster. Es waren noch ein paar andere ältere Leute da, die Charles überhaupt nicht kannte.
    Im Kreis seiner Mitschüler und dank der mütterlichen Betulichkeit von Mrs. Bailey, die dafür sorgte, daß er ein Coca-Cola mit Eiswürfeln bekam und ins Speisezimmer geführt wurde, wo eine Tafel mit Leckereien ihn erwartete, fühlte er sich bald wie zu Hause. Er unterdrückte die ehrfürchtige Bewunderung, die ihn überkam, als er den blitzenden Kristallüster im Speisezimmer sah, den riesigen offenen Kamin im Wohnzimmer, in dem ein knisterndes Holzfeuer loderte, dessen Flammen sich in den Feuerböcken aus Messing spiegelten. Und er ließ sich auch nichts davon anmerken, wie beeindruckt er, nach einem Blick durch die Schwingtür, von dem elektrischen Kühlschrank in der Küche war, in dem man die Speisen ohne Eis kühlhalten konnte und der Eiswürfel machte wie die, die er in seinem Cola hatte.
    Er unterhielt sich mit seinen Freunden und bewegte sich mit vorgetäuschter Selbstsicherheit in all diesem Prunk und Gepränge, so, als wäre er in einem Palast geboren und hätte nur die besten Schulen besucht. Betty lachte über sein Getue, das er um ihretwillen übertrieb, und es mißfiel ihm durchaus nicht, zu sehen, wie Alfred diesem Anblick den Rücken drehte, um sich mit Waldo zu unterhalten, der starr wie eine Statue neben dem Kamin stand.
    »Also diese hier zum Beispiel«, sagte Charles, den Deckel einer Milchflasche statt eines Monokels im Auge, »diese kleinen Satansbraten hier sind teuflisch schwer zu fangen.« Er hielt ein winziges Brötchen hoch, das wie ein schwarzes Kätzchen mit gekrümmtem Rücken geformt war.
    Betty Bailey lachte entzückt, legte ihre zarte weiße Hand auf

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