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Werwelt 02 - Der Gefangene

Werwelt 02 - Der Gefangene

Titel: Werwelt 02 - Der Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Stallman
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selbstverständlich zu Hause. Doch, wirklich, er könne ruhig kommen. Er nahm ein Taxi.
    Als er vor der Haustür stand und darauf wartete, daß sie ihm öffnete, merkte Barry plötzlich, daß er den ganzen Morgen unentwegt gelächelt hatte. Fast tat ihm das Gesicht weh davon. Er konnte sich nicht erinnern, je so glücklich gewesen zu sein. Da war aber wohl sein Lächeln ein wenig schief, denn so reif und erfüllt er sich fühlte, er war ja erst einen Tag alt, einen Tag erst war er auf der Welt.
    Die Tür öffnete sich, und Renee stand lächelnd vor ihm.
    »Barry«, sagte sie, »das ist Mina. Mina, das ist Mr. Golden. Er ist unser Freund.«
    Mina war ein schmalgesichtiges, sechsjähriges Mädchen, groß für ihr Alter, still und schön wie ihre Mutter. Flüchtig nahm sie seine Hand, dann gingen sie durch das Wohnzimmer, wo er im Vorübergehen sah, daß eine bunte Häkeldecke über das Sofa gebreitet war. Das Mittagessen, Tomatensuppe und hinterher Geflügelsalat, wartete schon im kleinen Eßzimmer. Mina unterhielt sie mit Geschichten von ihren Tieren. Sie holte einige von ihnen, um sie zu zeigen, winzige Glasfiguren, die Rehe und Giraffen und Hasen darstellten. Renee bemerkte, sie hätte sie nun schon mehr als einen Monat und noch nicht eine davon zerbrochen.
    »Sie wohnen in einem Wald, der ganz aus Glas ist«, erklärte Mina, während sie ihre Tomatensuppe aß, »und sie sprechen mit gläsernen Stimmen – so.« Worauf sie die Figuren in einem dünnen Sopranton erklingen ließ.
    Barry verschlang Renee mit sehnsüchtigen Blicken, während sie um den kleinen runden Tisch saßen. Sie lächelte und streckte das Bein aus, um mit ihrer Zehe sein Bein zu berühren. Als Mina nichts mehr von ihren Tieren zu erzählen wußte, kamen Renee und Barry überein, am kommenden Wochenende nach Cassius zu fahren.
    »Hast du Lust, am Samstag Großmama zu besuchen, Herzchen?« fragte Renee.
    »Ist heute Samstag?«
    »Nein, Liebes. Bis zum Samstag sind es noch zwei Tage. Noch zweimal schlafen, dann ist Samstag.«
    »Treffen wir dann auch Anne?«
    »Ich denke schon«, erwiderte Renee, während sie ihrer Tochter die Tomatensuppe von den Lippen wischte.
    Sie tranken ihren Kaffee, während Mina in der Küche mit Bauklötzen spielte und vor sich hin babbelte. Ihr Geplauder mit den unsichtbaren Tieren und Menschen ihrer Phantasie drang zu ihnen herüber, während sie ihre Pläne schmiedeten. Natürlich schlossen diese Pläne auch Renees Mann mit ein, und Barry schien es seltsam, daß sie zu viert reisen sollten. Er sah Bills Familie bereits als seine eigene, als hätte er durch einen einzigen Akt den Ehemann aus diesem Haus und aus Renees Herzen verdrängt und hätte seine Jahre und all seine Rechte übernommen. Er war jedoch sicher, daß Renee diese Härte nicht teilte.
    »Wird er denn damit einverstanden sein, am Samstag nach Cassius zu fahren?« Er hielt inne. »Mit mir?«
    »Ich glaube schon«, antwortete sie, und ihr Gesicht zeigte wieder jene Ausdrucksleere, die ihm zum ersten Mal am vergangenen Abend aufgefallen war, als sie mit ihrem Mann gesprochen hatte. Es schien, als löschte sie sorgsam jede Regung aus ihren Zügen, so daß keiner sehen konnte, was sie dachte oder empfand. »Wenn der Plan schon abgesprochen ist, schließt er sich sicher an. Außerdem müssen wir ja fahren. Du mußt zusehen, daß du so viel wie möglich in Erfahrung bringst.«
    Er spürte, daß sie diese Angelegenheit erledigt haben wollte, damit sie sich dann beide mit dieser anderen, neueren und persönlicheren Sache befassen konnten, die zwischen ihnen war. Mit staunender Begierde lauschte er ihrer Stimme und empfand dabei das gleiche, was das Tier empfunden hatte, als es das erste Mal Musik gehört hatte: ungläubige Verwunderung darüber, daß er so lange ohne diese Stimme hatte leben können. Er streckte den Arm über den Tisch und legte seine Hand auf die ihre, und wie am vergangenen Abend drehte sich ihre Hand nach oben, um die seine zu empfangen.
    »Macht Mina keinen Mittagsschlaf?« fragte er mit heiserer Stimme.
    »Sie behauptet, sie wäre zu alt, um noch Mittagsschlaf zu halten.«
    Renees Augen blickten erheitert, als sie lächelte, und er spürte, wie ihm ein Blutschwall ins Gesicht schoß, als er sah, daß ihre Züge weich wurden, daß die Maske der Leere, die sie übergestreift hatte, als sie über Bill gesprochen hatten, von ihrem Gesicht abfiel.
    »Aber da läßt sich etwas machen.«
    Sie stand auf und ging ins Wohnzimmer hinüber, wo er hörte,

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