Werwelt 02 - Der Gefangene
breiteten sich aus, als sie sich schließlich auf dem Bett niederlegten und ihre Körper sich liebten, bis sie Raum und Zeit hinter sich ließen und in jenes Reich emporgetragen wurden, wo alle Probleme sich selbst lösen, weil alles ausgelöscht wird außer dem Bedürfnis, das in diesem Moment gestillt werden kann.
Nach einer langen Zeit, die sich der Messung entzog, lagen sie still in der Hitze des Zimmers, im schimmernden Weiß, während die Sonne von zarter Leichtigkeit zu nachmittäglicher Glut wechselte. Sie lagen so, wie sie zuletzt gelegen hatten, ihr Kopf über ihre Schulter zur Seite gedreht, die Augen geschlossen, sein Arm um die Wölbung ihrer Hüfte, die Finger oberhalb des Knies an dem langen weißen Bein. Er betrachtete die dunklen Wimpern, die ihre Augen umkränzten und ganz reglos waren, als schliefe sie. Sein anderer Arm lag unter ihr, und ihre rechte Brust ruhte noch immer in seiner geöffneten Hand. Er war von einem so reinen Glück erfüllt wie nie zuvor in irgendeiner Gestalt.
»Ich muß dich und Mina mit mir zurücknehmen«, sagte er leise.
»Ich weiß«, antwortete sie, ohne die stillen Lider zu heben.
»Du bist alles, was ich mir je gewünscht habe«, flüsterte er.
»Ich habe auch auf dich gewartet«, sagte sie.
»Und was ist mit -?«
»Er gehört eigentlich schon gar nicht mehr zu uns«, sagte sie.
Barry blickte auf ihre geschlossenen Augen nieder. Sie bewegten sich leicht, so als träumte sie einen langsamen Traum. Und noch während er sie betrachtete, begann an den Wimpern etwas zu glitzern, und er sah, daß Tränen unter den geschlossenen Lidern hervorquollen. Sie drückte die Augen fester zu und drängte sich an ihn, so daß er sie noch näher an sich zog.
»Ich bin kein Flittchen«, murmelte sie.
»Das weiß ich.«
»Ich hab so was noch nie getan.« Sie hielt inne. »Das klingt so banal«, sagte sie.
»Ich glaube dir.«
»Es ist nur …« Sie öffnete die Augen und sah ihn an. Ihre Wimpern waren feucht, und die Augen schwammen in Tränen. »Du hast so viel von dem, was ich mir gewünscht hatte, du bist wie der Traum, dem ich nachgehangen habe, seit unsere Ehe, seit Bill – ich meine, seitdem ich wußte, daß alles kaputtgehen würde oder vielleicht schon kaputt war.«
»Ich glaube, in jedem von uns beiden ist etwas, das den anderen braucht«, sagte er, und es steckte ein so tiefer Ernst in seinen Worten, daß selbst von jener Macht zustimmendes Schweigen kam, die so tief in seinem Inneren wohnte, daß er sie mit bewußtem Willen nicht erreichen konnte.
»Ich weiß, daß die Leute sagen werden, ich hätte mich mehr bemühen sollen«, murmelte sie.
Im ersten Moment glaubte er, sie suche nach Entschuldigungen für sich selbst, doch ihr Ton machte ihn aufmerksam.
»Ich wollte einfach nicht mehr.« Sie sagte es sehr bestimmt. »Er hat seine Stellung verloren und dann war er zu träge, sich nach etwas Neuem umzusehen. Am Ende hat er dann diese Arbeit angenommen, die er jetzt macht und die er haßt. Er wollte sie hassen. Und ich glaube, mich wollte er auch hassen – uns.«
Es klang nicht so, als wollte sie Bill Vorwürfe machen oder sich selbst entschuldigen; es hörte sich mehr wie eine Aufzählung von Tatsachen an, nicht wie ein Rechtfertigungsversuch. Mit einiger Verwunderung lauschte er ihren ruhigen, sachlichen Worten und erkannte, daß sie in ihren eigenen Augen völlig gerechtfertigt war, weil das, was sie wollte, unabänderlich recht zu sein schien. Da gab es kein Schwanken, keine Kraftvergeudung an Phantasien, kein Aufschaukeln von Groll und Aggression, von denen man dann zehren konnte. Sie war, dachte er, das Empfinden des Tieres als sein eigenes verspürend, das ehrlichste menschliche Wesen, dem er je begegnet war.
»Es wird schwer werden«, meinte Barry, der sich bewußt wurde, daß nun das Streben seines eigenen Lebens über den gegenwärtigen Augenblick hinaus in eine Zukunft wies, die ihre Nähe und Mina einschließen mußte.
»Ja, ich weiß, es wird eine Weile ganz schlimm werden«, stimmte sie zu. Sie schloß wieder ihre Arme um ihn. »Aber ich weiß, daß wir es schaffen werden, ganz gleich, was geschieht.«
Sie küßte ihn leicht auf die Lippen, und er spürte, daß sie recht hatte. Es würde schrecklich werden, doch sie würden es schaffen und dann für immer Zusammensein. Ganz gleich, was geschah.
Als Barry später aus dem Haus trat, erfüllte ihn mehr als das satte Wohlbehagen gestillter Lust. Eine neue Entschlossenheit war jetzt in ihm erwacht,
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