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Werwelt 02 - Der Gefangene

Werwelt 02 - Der Gefangene

Titel: Werwelt 02 - Der Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Stallman
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hab’ was gegen Leute, die in mein Haus kommen und meiner Frau schöne Augen machen. Genau.« Er schlug mit der Hand krachend auf den Tisch und winkte dem Barkeeper mit zwei Fingern.
    »Das ist lächerlich, Mr. Hegel«, versetzte Barry. »Ich bin hierher gekommen, um Nachforschungen über den Sohn meines verstorbenen Bruders anzustellen – der ja hier in der Gegend war, wenn es auch mehr als ein Jahr her ist –, und nun scheine ich mitten in Ihre Eheprobleme hineingeraten zu sein.«
    Er musterte Hegel, während er zu ergründen suchte, ob der Mann am Siedepunkt war, vielleicht gleich zuschlagen oder gar auf dem Weg zur Tür ein Messer ziehen würde. Eine Gefahr schien er eigentlich nur für sich selbst zu sein, wie er dasaß, mit eingesunkenen, trüben Augen, ein kleines Zucken um den linken Mundwinkel. Und jetzt war noch nicht der Moment, ernsthaft zu reden, selbst wenn Bill Hegel dazu imstande gewesen wäre.
    Der Barkeeper brachte einen doppelten Whisky und stellte das Glas sorgsam auf den Tisch. Neben Barry blieb er stehen, als wartete er auf ein Zeichen von Bill Hegel.
    »He, Vernon«, sagte Hegel, während er das Glas zu sich heranzog und langsam mit zwei Fingern drehte. »Finden Sie nicht, daß der Bursche hier ein bißchen wie John Dillinger aussieht?«
    Der Barkeeper trat einen Schritt zurück, um Barry zu mustern, dann lächelte er und schüttelte den Kopf.
    »Der hat ’ne andere Haarfarbe, und die Oberlippe stimmt auch nicht.«
    »Okay, aber ein Krimineller ist er trotzdem«, erklärte Hegel. »Genau wie Baby Face Nelson und Machine Gun Kelly und Dillinger.«
    »Dillinger hat nie jemanden umgebracht«, sagte der Barkeeper. »Der war kein Verbrecher wie diese anderen Kerle. Das müßten Sie doch eigentlich wissen, Mr. Hegel.«
    Herablassend blickte er auf Hegel hinunter, vielleicht, weil er sah, daß dieser wesentlich betrunkener war, als es Barry, der Hegel nicht kannte, hätte erkennen können. Hegel konnte schon den ganzen Nachmittag getrunken haben, dachte Barry und musterte aufmerksamer die Haltung des Kopfes und die unsichere Hand, die das Glas hob und zum Mund führte. Mit einem Zug schüttete Hegel den ganzen Whisky hinunter, und Barry schauderte unwillkürlich angesichts der Grimasse des anderen, als der Whisky hinunterlief.
    »Mr. Hegel«, sagte der Barkeeper behutsam, »ich soll Sie doch immer darauf aufmerksam machen, wenn es spät wird. Jetzt ist es ungefähr fünf.«
    Eine Minute blieb er noch stehen und betrachtete den Mann, der jetzt den Kopf gesenkt hielt, während sein ganzer Körper zitterte wie im Schüttelfrost. Dann sah er, daß ein anderer Gast ihm winkte, und er zuckte die Achseln und eilte wieder hinter den Tresen.
    »Leute, die sich in die neue Ordnung nicht einfügen, werden eliminiert werden«, brummte Hegel.
    Sein Gesicht schien unterhalb seiner Augen schlaff wegzusacken, als er seinen Gegner düster anstarrte. Barry sagte nichts, fragte sich aber, was er da zitiert hatte. Es klang jedenfalls wie ein Zitat.
    Die große, zitternde Hand griff über den Tisch und umklammerte die von Barry. Es war eine kalte, schweißfeuchte Hand, die tolpatschig versuchte, die Finger des anderen Mannes zusammenzudrücken.
    »Am liebsten«, flüsterte Hegel heiser, »würde ich Sie packen und vor den nächsten Zug schmeißen.« Er grinste, und Barry sah Schaum in den Winkeln seines Mundes. »Das möchte ich sehen, wie Sie da den Unschuldsengel spielen, wenn der Chicago Limited auf Sie zubraust.« Er richtete sich auf, ließ Barrys Hand los, und sein Gesicht tauchte ins Dunkel, als er sich nach rückwärts lehnte. »Tüüüüt!« brüllte er durch das ganze Lokal. »Da kommt er schon angebraust!«
    Barry dachte daran, einfach aufzustehen und zu gehen, und er sah sich in der Kneipe um, doch niemand achtete auf sie. Was konnte er zu diesem Wahnsinnigen sagen? Mußte er Mitleid mit dem gehörnten Ehemann empfinden, um den Akt des Ehebruchs zu vollenden? Das kantige, weiße Gesicht dieses rechtmäßigen Ehemannes tauchte wieder ins Licht. Barry beobachtete, wie die trunkene Wut sich verselbständigte, wie aus dem Gesicht eine Maske des Hasses wurde. Gleich wird er versuchen, sich auf mich zu stürzen und dabei schrecklich auf die Nase fallen, dachte Barry, und dann fahre ich ihn nach Hause. Oder war er vielleicht gar nicht so betrunken, wie er schien?
    Doch da ging es schon los. Hegel sprang auf, schlug mit dem Kopf gegen die Hängelampe, grapschte mit beiden Händen nach Barry. Sein Mund war

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