Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Werwelt 02 - Der Gefangene

Werwelt 02 - Der Gefangene

Titel: Werwelt 02 - Der Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Stallman
Vom Netzwerk:
verzerrt, die Zähne waren gefletscht wie die eines bissigen Hundes. Barry fegte die unsicher grapschenden Hände weg und holte zu einem langen Schlag aus. Er traf Bill Hegel am Backenknochen, so daß er gegen die Wand flog, wo sein Kopf krachend aufschlug. Schlaff sank er in der Nische zusammen. Die Lampe über dem Tisch schwang hin und her, und sein weißes, ohnmächtiges Gesicht schwamm im Lichtschein hin und her. Barry zog ihn hoch, legte ihn über den Tisch und blickte auf, direkt auf den Barkeeper, der wie auf dem Sprung im hellen Licht hinter dem Tresen stand.
    »Mußte das sein?« fragte er. Eine Hand war unter der Theke, hielt offensichtlich etwas in den Fingern.
    »Wir sind alte Kumpel«, versetzte Barry. »Das letzte Mal hat er mich heimgeschleppt.«
    »Ich hab’ mir schon gedacht, daß er zuviel hatte«, meinte der Barkeeper. Er wollte da nicht hineingezogen werden. »Das ist meistens so«, fügte er grinsend hinzu.
    »Ich bring’ ihn nach Hause zu Renee«, erklärte Barry, während er den schweren Mann aus der Nische hievte. Er legte ihm einen Arm über die Schulter und packte ihn mit der anderen Hand um den Gürtel. »Sie kann sich um ihn kümmern«, sagte er und zwinkerte dem Barkeeper zu, als er an ihm vorbeiwankte.
    Hegel war ein massiger Bursche, und während sich Barry in der Hitze des späten Nachmittags schwitzend abmühte, den Mann in den Fond des alten Chevrolet zu bugsieren, wünschte er, er könnte sich jetzt verwandeln und es dem Tier überlassen, Hegel wie einen Mehlsack in das Auto hineinzudrücken. Als er dann am großen hölzernen Steuerrad des fremden alten Autos saß, fragte er sich, weshalb er sich dieses Narren überhaupt mit solcher Fürsorge angenommen hatte. Es mußte doch ein leichtes sein, bis zum Einbruch der Nacht irgendwo zu parken, den Wagen dann an einem Bahnübergang auf die Schienen zu fahren und das ganze Problem von einem Zug lösen zu lassen – der Einfall stammte schließlich von Hegel selbst. Dann könnte er, Barry, seine Stelle als Renees Ehemann einnehmen, das ersehnte Leben führen. Ein Schauder angenehmer Erregung durchrann ihn, als dieser einfache, sehr leicht durchführbare Plan zu dem praktisch veranlagten Wesen durchdrang, das in ihm wohnte, und dessen Beifall fand. Doch er war sich auch des absoluten Unrechts einer solchen Handlung bewußt, des menschlichen Empfindens, das in diesem Augenblick stärker war als jenes tiefere Drängen. Wie leicht wäre es, und doch konnte Barry sich zu einem solchen Akt nicht bereit finden. Die Beglückung eben erst erwachter Liebe war seiner Erinnerung zu nahe, zu überwältigend. Er empfand eine ganz neue Zärtlichkeit, einen beschützerischen Edelmut, der jenem Gefühl ähnlich war, das ein Junge dem ersten Mädchen entgegenbringt, für das er schwärmt. Es war so etwas wie Ritterlichkeit, und es fühlte sich wie eine Schwäche an. Zu überraschend hatte es ihn überkommen, so daß er jetzt nicht fähig war, die Entscheidung zu treffen, die diesen Mann aus seinem Leben entfernt hätte. Man muß die Sache von der moralischen Seite betrachten, überlegte Barry, während er auf das Umschalten einer Ampel wartete.
    Erst einige Minuten später bemerkte er, daß er nicht rechts, sondern links abgebogen war, daß er sich nicht auf dem Weg zu Hegels Haus befand, sondern stadtauswärts fuhr. Er mußte sich Zeit zum Nachdenken nehmen, ehe er etwas tat, das für ihn und für den Mann, der besinnungslos hinten im Fond lag, unwiderruflich war. In seinem Inneren spürte er das Drängen jenes Wesens, ihn auf den direkten Weg zum Ziel seiner Wünsche zu ziehen. Denn es wollte das, was Barry wollte, die Liebe der Frau, aus welch unerfindlichen Gründen auch immer. Eine Witwe, schien es zu sagen, konnte man viel leichter heiraten als eine Ehefrau. Wir tun das zusammen, schien es zu sagen, doch Barry lehnte sich gegen seine Einflüsterungen auf und versuchte, für sich selbst zu denken.
    Es ist wahr, dachte er, einen Moment lang kühl und nüchtern, daß Hegel ein schwachsinniger Säufer ist, der sich sowieso selbst zerstört, auch wenn er Jahre dazu brauchen wird. Aber so einfach ist das nicht, auch wenn ich jetzt stadtauswärts fahre, dachte er mit einem schiefen Lächeln, anstatt ihn nach Haus zu bringen. Einen Moment lang empfand er Schuld, als hätte er jene Tat schon vollbracht …
    Donner zerriß die Welt seiner Gedanken. Ein Blitzstrahl verbrannte die Bilder vor seinen Augen in einem blendenden Feuerwerk, als die Blase des

Weitere Kostenlose Bücher