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Werwelt 02 - Der Gefangene

Werwelt 02 - Der Gefangene

Titel: Werwelt 02 - Der Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Stallman
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Bewußtseins barst. Alles hörte auf.
    Donnern und Dröhnen. Hämmer, die auf Steine schlagen, dumpf klingende Steine, bleierne Hämmer, tosende Wasserfälle, heulende Winde, Kreischen, Pfeifen, quellende Geräusche, die von innen und außen den Kopf belagern. Blut auf seinem Gesicht, meinem Gesicht? Der Geruch nach Whisky und alter Polsterung. Was ist geschehen? Das Auto. Hegel.
    Er setzte sich auf, und ein Donnern erfüllte seine Ohren. Finsternis. War er blind? Zu finster für die Nacht. Nacht? Und dann wurde auch sein Geist von diesem Donnern erfüllt, das zum Teil das Pochen in seinem Schädel war, und zum Teil – ja, was? Das Dröhnen, das Pfeifen eines Zuges. Da öffnete er die Augen, die im Schmerz fest zugedrückt gewesen waren. Als er in die Nacht spähte, sah er Bäume durch eine Windschutzscheibe. Sie wurden hell, als ein Lichtstrahl, wie der eines Leuchtturms, suchend über sie hinwegglitt und sie zu seiner Rechten aus der Dunkelheit hob. Die Geleise entlang warf der wandernde Lichtstrahl blitzende Glanzlichter auf die schimmernden Schienen. Das Auto stand mitten auf einem Bahnübergang, und als er aufblickte, sah er undeutlich das Kreuzzeichen in der Nacht hängen, das aussah wie die gekreuzten Gebeine auf einer Giftflasche.
    Das Schwein hat es tatsächlich getan, schoß es ihm durch den Kopf, und dann leerte sich sein Hirn wie eine zerbrochene Flasche, und sein Geist schreckte vor dem Nichts zurück. Oder bin ich Bill Hegel? Die Angst drehte ihm den Magen um. Ich bin Bill Hegel, und das Tier hat mich in dem Auto auf die Schienen gebracht, um mich zu töten. Das Licht wanderte über die Bäume zu meiner Rechten, der Zug braust um eine unübersichtliche Kurve. Ich muß hinaus. Die Türen sind innen ganz glatt. Warum kann ich sie nicht öffnen, dachte er in Panik, als er wieder das Pfeifen hörte, das jetzt schriller klang und näher. Sein Kopf war noch immer betäubt vor Schmerz. Keine Türgriffe, keine Fensterkurbeln. Sie sind entfernt worden. Ich bin Bill Hegel und gleich werde ich sterben, dachte er.
    Das gellende Pfeifen schnitt durch die Luft, als das platte Gesicht der Lokomotive sich um die Biegung schob. Immer schriller wurde das Pfeifen, und dann barst das Licht explosionsartig ins Wageninnere, während Barry in dem gleichen Moment klar wurde, daß das Gefühl, Bill Hegel zu sein, seinem Schuldbewußtsein entsprungen war. Er raffte alles, was an Kraft noch in seinem Geist vorhanden war, zu einem kleinen Bündel zusammen, das das Scherbenhäufchen seiner Besinnung war. Dann richtete er die Konzentration auf dieses klägliche Bündel und gab das Wesen frei.
    Ich verwandle mich.
    Ich schlage mit einem Vorderlauf quer gegen die Windschutzscheibe und zerschmettere sie zu einem Zickzack spitzer Scherben, die mir wie Rasierklingen durch Fell und Haut schneiden. Wieder hole ich aus. Das Brausen des Zuges nähert sich mit rasender Geschwindigkeit, und jetzt nimmt mein Raumsinn die grauenhafte Unerbittlichkeit dieses unaufhaltsam heranbrausenden eisernen Kolosses auf, der auf mich zukommt wie eine Flutwelle oder ein Erdbeben. Das blendende Licht flutet über mich hin, als ich mich durch die Öffnung in der Windschutzscheibe stoße. Das scharfe Glas schneidet mir den Bauch, während ich, mich windend wie ein Aal, auf die Kühlerhaube hinauskrieche. Das Pfeifen schneidet scharf wie ein Messer durch die Luft, und der donnernde Riese aus Eisen, der schnaubend die Luft vor sich hertreibt, wächst und wächst. Ich rolle über die Kühlerhaube, habe schon eine Pfote am Kotflügel, um zu springen, als die Lokomotive ihren gewaltigen Schatten über mich wirft und mit einem ohrenbetäubenden Krachen der Vernichtung in das Auto hineinrast. Ein wuchtiger Schlag trifft mich, eine eiserne Hand reißt mir den Leib auf, ehe ich wirbelnd in die Finsternis fliege. Ich spüre, daß mein Brustkorb und mein Bauch aufgeschlitzt sind, blutig auseinanderklaffen, als ich mit eingeknicktem Hinterlauf auf dem Kies lande und die steile Böschung hinunterrolle ins Gras.
    Die Lokomotive, die das zerschmetterte, verstümmelte Wrack des Wagens auf den Schienen vor sich herschiebt, ist vorbei, und die Kette erleuchteter Fenster fliegt vorüber, doch die Fahrt verlangsamt sich, während die Räder des Zuges in rotsprühenden Funkenkränzen erglühen. Ich liege halb im Graben auf dem Rücken, besinnungslos beinahe, und spüre, wie mein Augenlicht sich verdunkelt. Mein Raumsinn zeigt mir ganz in der Nähe in der Finsternis etwas

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