Werwelt 02 - Der Gefangene
drinnen?« Der Fettwanst lacht.
»Immerhin ist es ein Riesenvieh. Ich hab’ doch die Schultern und die Tatzen gesehen. Das beste wär’ ein Käfig wie für King Kong.«
Lachend gehen sie durch den Stall davon und lassen einen Geruch nach Alkohol zurück. Nachdem sie außer Reichweite sind, konzentriere ich mich darauf, eine Ratte aus dem Getreidesilo anzulocken. Der Unterschied zwischen dem Fettwanst und meinem geplanten Abendessen ist nicht allzu groß, denke ich mit einem Lächeln, und es könnte ja passieren, daß ich ihn durch eine der Ritzen zwischen der Zellenmauer und dem Stallboden hereinziehe. Das hätte eine grundlegende Umverteilung seiner Massen zur Folge. Ein bißchen Sorge macht mir das Gerede von einem starken Käfig. Wenn man mich in einen Käfig steckt, der wirklich und wahrhaftig unzerstörbar ist, wird es schwierig werden zu entkommen, und außerdem werde ich weiteren Kreisen der Öffentlichkeit sichtbar werden. Diese Tatsache ist es, die mich beunruhigt. Noch eine Woche.
Sie haben es tatsächlich geschafft, und auf höchst gerissene Weise noch dazu. Ohne die geringste Gefahr für ihr eigenes Leben. In der vergangenen Nacht bin ich gegen Morgen eingeschlafen, und der Gasgeruch hat mich nicht zeitig genug geweckt. So, wie er sich in meine Träume wob, erschien er mir ganz harmlos, ein ziemlich süßer, öliger Geruch, beinahe wie das Parfüm, das das Mädchen trug, als die jungen Leute mir halfen. Ich habe weitergeschlafen, und als ich dann erwachen wollte, war es zu spät; das Gas hatte mich bereits betäubt. Jetzt bin ich in einem Käfig eingesperrt, und meine Lage ist nun so übel, wie ich befürchtet habe; der Fettwanst hat nämlich verkündet, daß er mich dem Meistbietenden verkaufen will, sei es nun Zirkus, Zoo oder Kuriositätenschau. Ja, das schlimmste, was ich befürchtet habe, ist eingetroffen, wenn man mir auch die Ketten abgenommen hat, die anfingen, mir auf die Nerven zu gehen. Mit jedem Tag fühle ich meine Kräfte wachsen, doch die glühende Sommerhitze, die mich nun, da ich mich nicht mehr im kühlen Gemäuer meiner unterirdischen Zelle befinde, voll trifft, macht mich beinahe ebenso schlaff wie der Mangel an Bewegung und nahrhaftem Fressen. Aber vielleicht kann ich mir jetzt wenigstens ein paar Kaninchen und Hühner schnappen.
Von Tag zu Tag werde ich wacher. Ich spüre, wie die Schärfe meiner Sinne mit dem Abklingen der Schmerzen wächst; mein Körper ist nicht mehr nur eine Pflegestatt für meine Wunden, sondern hat größtenteils seine natürlichen Funktionen wieder übernommen. Man hat meinen Käfig mittels einer Winde auf einen Lastwagen gehievt, diesmal ohne Plane, und ich vermute, daß man mich morgen irgendwo hinbringen und verkaufen wird. Der Fettwanst hat, denke ich, schon ein stattliches Sümmchen an mir verdient, nach dem hohen Eintrittspreis zu urteilen jedenfalls, den jeder zahlen mußte, um einen Blick durch das Fenster meines Kerkers werfen zu dürfen.
Mein Käfig wurde offensichtlich von einem ortsansässigen Eisenhändler und Schmied eigens angefertigt. Die dicht nebeneinanderliegenden kantigen Gitterstangen sind im Abstand von etwa zwei Fußlängen durch angeschweißte Querstücke verbunden. Nur dort, wo die Stangen am Käfigboden verschweißt sind, einer fingerdicken Eisenplatte, sind einige Schwachstellen zu entdecken. Alles in allem müßte ich schon in erstklassiger körperlicher Verfassung sein, um einen Ausbruch aus diesem Ding auch nur zu versuchen. Am Tag wird es darin so heiß wie in einem eisernen Ofen. Es bereitet mir Schwierigkeiten, ständig mein Gesicht zu verbergen, während die Leute in einem nicht endenden Strom an meinem Käfig vorüberziehen. Irgendwann werde ich einem der neugierigen Fotografen schon Gelegenheit zu einem guten Schnappschuß geben, und danach werden dann die Zoologen und Biologen nicht lange auf sich warten lassen. Sie werden in Scharen ankommen, um mich auseinanderzunehmen und einzuordnen.
Die Nacht ist heiß und schwer von Feuchtigkeit. Ich kann den fernen Donner spüren, den ich noch nicht höre, und die elektrische Spannung, die sich in der Luft aufbaut, übt ihre gewohnte Wirkung auf meine Stimmung aus. Eine rastlose Erregtheit ergreift mich, und prickelnd sträubt sich mein Fell im Genick und den Rücken entlang. Aus der Hitze dieser Woche braut sich ein gewaltiges Gewitter zusammen. Die Männer auf dem Hof haben den ganzen Abend gestritten. Ich höre die Stimmen vom Haus her, das von meinem Käfig aus nicht zu
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