Werwelt 02 - Der Gefangene
viel tun, sieht jedenfalls nicht danach aus.«
»Für das Vieh brauchen wir aber einen Riesenkäfig«, sagt der mit dem Kuhmist an der Hose.
»Irgendwas müssen wir auf jeden Fall tun«, meint der Unrasierte.
»Ich finde, da muß erst mal ein Tierarzt her«, erklärt der mit dem kleinen Gesicht unter der Eisenbahnermütze.
»Na klar«, versetzt der Fettwanst. »Bringen wir das arme Tierchen ins Krankenhaus.«
Darauf folgt dünnes, recht nervöses Gelächter, und dann marschieren die Männer einer nach dem anderen die Treppe hinauf nach draußen. Sie beraten weiter: Wer bleibt da, um das Tier zu bewachen; wer holt einen Lastwagen mit einer Winde; wie soll es überhaupt weitergehen; wo soll das Tier gehalten werden; wie kann man es am besten dingfest machen. In aller Ausführlichkeit besprechen sie die Gefangennahme des gefährlichen Tiers und seine Festsetzung in irgendeinem elenden Gefängnis, wo es langsam eingehen wird, während neugierige Menschen es angaffen.
Ich bin überzeugt, daß in diesem Augenblick wenig Gefahr besteht, daß es für mich vielleicht das beste ist, einfach zu schlafen. Nicht völligen Tiefschlaf, natürlich, aber ich kann mich in einen leichten Dämmerschlaf versetzen, aus dem ich augenblicklich erwache, wenn echte Gefahr droht.
Die Menschen machen das sehr geschickt mit ihren Maschinen und Apparaten. Sie begegnen ihrer leicht entflammbaren Angst und ihrem äffischen Fluchttrieb, indem sie sich mit Maschinen umgeben, hinter denen sie sich vor aller Gefahr sicher fühlen. Man hat mich mit einer Winde eine Bretterrampe hinaufgezogen, die man über die Treppe gelegt hat, und mich dann samt meiner Matratze auf die Pritsche eines Lastwagens gehievt, der mit einer Plane überdacht ist. Man hat mir die Hinterbeine und einen Vorderlauf in Ketten gelegt. Den gebrochenen Vorderlauf schützte ich mit meinem Körper, so daß sie da keine Kette anlegen konnten. Auch das schlimme Bein ist angekettet, doch ich halte es ganz still. Seit die Männer mich das erste Mal erblickt haben, habe ich noch nicht ein einziges Mal mein Gesicht gezeigt. Ständig halte ich meinen Kopf unter meinen Vorderläufen verborgen. Die Ketten sind mit raffinierten kleinen Drehschnappern miteinander verbunden, die ich wahrscheinlich leicht durchbeißen könnte, wenn mir danach zumute wäre, und jetzt binden die Männer die Enden der Ketten auch noch um feste Teile des Lastwagens.
Sie haben Mutmaßungen über meine Herkunft angestellt. Schließlich gelangten sie übereinstimmend zu der Auffassung, daß ich ein ausgebrochener russischer Tanzbär bin. Meine wenig bärenhafte Erscheinung und das Fehlen sichtbarer Krallen können sie sich nicht erklären. Daher nehmen sie einfach an, daß ich ein Vertreter irgendeiner selten vorkommenden Abart bin und daß man mir die Krallen entfernt hat, damit ich besser tanzen kann. Sehr gescheit. Wäre ich anderer Stimmung, so könnte ich darüber sogar lachen. Einer der Mutigeren streicht mir mit der Hand über den Rücken und erklärt, er hätte noch nie ein Bärenfell unter den Fingern gehabt, das so weich und fein gewesen wäre. Ich danke ihm im stillen für diese einsichtige Feststellung und sinke wieder in meinen leichten Schlummer, den Geräusche zwar durchdringen, aber nicht stören. Der Lastwagen setzt sich in Bewegung, holpert den Trampelpfad entlang, und ein widerlicher Geruch sickert durch die Ritzen der Bretter, auf denen ich liege. Der Lastwagen hoppelt schwankend auf die Straße hinaus, und jetzt erstickt mich der Geruch fast. Ich brauche frische Luft. Ich hebe den Kopf und schiebe mich zum Hinterteil des Lastwagens.
»Hoppla! Aufgepaßt, da kommt es!«
Der Mann, der schreit, springt ab, und sein Begleiter schickt sich an, es ihm nachzutun. Mit einem kräftigen Ruck kommt der Lastwagen zum Stehen, der andere Mann verliert das Gleichgewicht, stürzt rückwärts über die niedrige hintere Wand, ohne seine Büchse loszulassen, und landet hinter uns auf der Straße. Jetzt steht der Lastwagen, und ich strecke meine Nase hinaus in die frische Luft. Die Dämpfe sind giftig und würden meine Sinne rasch abtöten, wenn ich sie über längere Zeit einatmen würde. Die Männer laufen die Straße hinunter, wo sich, wie es scheint, einer meiner Wächter den Arm gebrochen hat. Ah, gut, frische Luft. Ich verkrieche mich wieder und bedecke mein Gesicht, als weitere Männer mit Gewehren angelaufen kommen.
Sie haben mich jetzt in mein neues Heim gebracht, ein kleiner, steingemauerter Raum
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