Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Werwelt 02 - Der Gefangene

Werwelt 02 - Der Gefangene

Titel: Werwelt 02 - Der Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Stallman
Vom Netzwerk:
die Szene in ein gespenstisches Licht getaucht wird, angestrahlt wie von einem riesigen Waldbrand. Der Regen strömt jetzt rauschend hernieder, wird jede Sekunde dichter, so daß das Licht der Blitze zu zerfließen scheint, wie durch Mattglas gebrochen. Die Nacht ist ein Chaos schwankender Schatten, wo das Licht einem ständig Streiche spielt und die Menschen und ihre Gebärden von jedem einzelnen blendenden Blitzstrahl wie in einem Schnappschuß eingefangen werden. Jede Handlung wird in eine Vielzahl stiller Bilder aufgesplittert. Der Schall kann sich nicht fortsetzen, sondern wird abgeschnitten von den dröhnenden Donnerschlägen. Menschen öffnen ihre Münder und gestikulieren in abgehackten Gebärden wie Marionetten, denen der geschmeidige Bewegungsablauf und die Worte fehlen, um ihre absurde Situation zu erklären.
    Die Männer sind triefend naß, und einer von ihnen taumelt nach hinten gegen den Käfig, in den Händen die Plane, die der Wind aufbläht wie einen Spinnaker. Ich greife mit einer Tatze nach dem Mann, drücke ihm so lange die Kehle zu, bis er das Bewußtsein verliert. Er geht in die Knie und stürzt auf den Boden des Lastwagens. Mit einem Teil seines Körpers kommt er auf die Plane zu liegen, an der sein Helfer auf der anderen Seite des Käfigs noch immer zieht und zerrt. Sie kommen mir vor wie zwei betrunkene Hausfrauen, die sich in diesem rasenden Sturm abmühen, das Bett eines Riesen zu machen. Plötzlich trifft mich die Stange, die der Fettwanst in Händen hält, mitten in den Rücken. Mörderischer Schmerz durchzuckt mich. Er hat mir die Stange direkt gegen einen meiner angebrochenen Wirbel gestoßen. Auf meinem gesunden Bein wirble ich herum und packe die Stange wie eine Lanze. In einem Augenblick blendender Helligkeit, als der Blitz in den Bäumen irgendwo zu meiner Rechten einschlägt, sehe ich den Fetten, der mit beiden Händen das andere Ende der Stange umklammert hält. Ein großer, dicker Kerl, das Haar in klatschnassen Strähnen im Gesicht, die Kleider dunkel vor Nässe, stößt und stochert er mit einer langen Holzstange, deren Ende er an seine Brust gedrückt hält. In einer affenartigen Grimasse bleckt er die Zähne, und meine rasende Wut gegen diesen Affenmenschen birst plötzlich aus mir hervor wie der grelle Blitz aus der schwarzen Gewitterwolke. Ich umspanne die Stange wie einen Speer und lasse wuchtig meinen Vorderlauf herausschnellen.
    Schon zuckt der nächste Blitz, gefolgt von krachendem Donner. Das Bild eines großen, dicken Kerls, der mit gebleckten Zähnen zum schwarzen Bauch der Gewitterwolke aufblickt, erscheint vor mir, während er lautlos, in ruckartiger Bewegung vom Lastwagen stürzt. Aus seiner Brust ragt die Wäschestange seiner Frau, der feindliche Speer, der dem Leben des gegnerischen Anführers ein Ende gesetzt hat. Ich drücke mich gegen die Gitterstangen des Käfigs und sehe die Stange, die vom Winde schwankend in die Regennacht emporragt, sehe die Hände des Mannes, die, auf die Brust gedrückt, den Speer umklammern, als wäre er sein teuerster Besitz, den er niemals aufgeben, sondern mit sich in die Hölle nehmen würde. Seine Lippen sind noch immer in dieser äffischen Grimasse verzogen, und ich kann nicht sagen, ob er geschrien hat oder lautlos gestorben ist, denn das ohrenbetäubende Krachen des Donners verschluckt noch immer alle anderen Geräusche. Während ich noch auf ihn hinunterblicke, kommen zwei andere Männer um den Lastwagen herum gerannt und bleiben wie angewurzelt im strömenden Regen stehen, angesichts des gräßlichen, des unglaublichen Anblicks, der sich ihnen bietet. Sie blicken zu mir hinauf, ihre Bewegungen abgehackt im zuckenden Licht der Blitze, mitten in einer Geste gefangen, mitten in einem Satz, den sie nicht hören können, mitten in einem entsetzten Blick, den sie miteinander tauschen, mitten in der Flucht, als sie zum Haus stürzen und verschwinden. Allein bleibe ich mit dem aufgespießten Fettwanst zurück, der jetzt stillliegt, nicht mitten in irgendeiner Bewegung gefangen sondern ganz reglos und unverändert, während er mit einem äffischen Grinsen in die wasserströmende Finsternis starrt.

4

    Das Gewitter hat sich verzogen, und die Luft ist frisch, rein, durchsichtig im Glanz der Sterne. Es ist kurz vor Morgen, aber keine Lichter trüben die zarten Sternengewebe der Milchstraße. Ich liege auf dem glatten Eisenboden des Käfigs und blicke zu den Sternen hinauf. Barry spricht. »Mir geht es jetzt wieder gut. Lock den

Weitere Kostenlose Bücher