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Werwelt 02 - Der Gefangene

Werwelt 02 - Der Gefangene

Titel: Werwelt 02 - Der Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Stallman
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Hundefutters gefressen, hart und von Fliegen umschwirrt, wie es war. Ich bin jetzt schon fast so weit, daß ich Barrys Drängen nachgebe. Ich bin fast zu allem bereit, nur um hier wegzukommen.
    Ich bin kurz vor dem Einschlafen. Das Licht des Vollmonds wirft ein Gittermuster auf den Boden des Käfigs und über mein Fell. Meine Glieder sind steif, weil ich den ganzen Tag praktisch in der gleichen Haltung verbracht habe, um mein Gesicht zu verstecken. Jetzt wälze ich mich in der Dunkelheit auf den Rücken und strecke mich aus, um meinen Körper zu entspannen. Ich lasse meinen Kopf nach rückwärts sinken, so daß mein Kinn zum Himmel emporragt, oder besser gesagt zur Decke des Käfigs, und das Mondlicht fällt sanft auf meine geschlossenen Augenlider.
    Das Geräusch eines Autos an der Einfahrt zum Hof stört mich auf. Es ist spät. Jetzt sollten eigentlich keine Autos mehr kommen. Der Motor wird abgeschaltet, und ich höre, wie eine Tür geöffnet, aber nicht geschlossen wird. Dann geschieht lange Zeit gar nichts. Ich nicke ein. Ich kehre wieder zurück und suche nach der alten Frau. Sie ist oben am Fenster. Ich kann nicht erspüren, ob sie schläft. Ich mache mich daran, das Gebiet rund um das Haus mit meinen Sinnen zu erforschen und stelle mit Überraschung fest, daß unter den Bäumen nahe beim Gartenzaun ein Mensch verborgen ist. Ich hebe den Kopf, um die Gestalt mit meinem Raumsinn abzutasten. Es ist eine hochgewachsene kantige Gestalt mit einem breitkrempigen Damenhut, der über der rechten Gesichtshälfte tief in die Stirn gezogen ist. Ein plötzlicher kalter Schauder hält mich fest. Die Frau hält eine Büchse, schußbereit wie ein Jäger, der seine Beute gesichtet hat. Ist’s Tante Cat? Natürlich. Wer sonst. Diese von allen guten Geistern verlassene Frau wird mich töten. Ich springe auf, halte ihre Gestalt mit meinen Sinnen fest und sehe jetzt, wie sie sich anschickt, durch das mondhelle Gras zu schleichen. Langsam, aber fest entschlossen geht sie vorwärts und taucht ins kalte Mondlicht. Nun ist kein Irrtum mehr möglich. Ich fange an zu schreien. Schrei! Weck das ganze Haus! Hol sie alle aus ihren Betten! He! He! Da ist jemand, der euren kostbaren Bären erschießen will. Schrei! Schrei. Wo ist der gottverdammte Wächter? Aus dem dunklen Fenster im oberen Stockwerk kommen die Anfeuerungsrufe der alten Scharteke. »Schießen Sie’s tot! Schießen Sie’s tot!«
    Sie hebt die Flinte. Ich richte meine ganze Konzentration auf sie und werfe ihr das Netz meiner Willenskraft über. Das Gewehr schwankt, doch sie senkt es nicht. Krachend speit es Feuer in die Nacht, direkt auf mich, wie es scheint. Die Rehposten prallen klirrend gegen die Käfigstangen zu meiner Rechten und in das Fenster des Lastwagens. Wieder hebt sich das Gewehr. Warum kann ich meinen Willen nicht mit mehr Kraft aufladen? Ich fühle mich schwach. Mit meiner ganzen Willenskraft stemme ich mich gegen die ihre, und wieder schwankt die Waffe genau in dem Moment, als sie abdrückt. Wieder sirren die Schrotkugeln pfeifend an mir vorbei. Ich verspüre einen heißen Schmerz in meinem Hinterbein. Eine Kugel hat mich unterm Gelenk getroffen. Jetzt konzentriere ich meine ganze Kraft auf die Frau, so daß sie zu wanken beginnt, doch schon lädt sie die doppelläufige Büchse wieder, hebt sie zur Schulter, so als wäre sie dank langer Übung fähig, dies auch im heulenden Sturm zu tun, unter Wasser, im Schlaf, selbst noch nach dem Tod. Und wieder versuche ich, ihren Willen mit dem meinigen zu überwältigen, renne mit meiner ganzen Kraft gegen sie an, aber irgend etwas ist da, das mich daran hindert, sie mir gefügig zu machen. Es ist etwas, das ich wie einen Schild empfinde, und das so wirkt, daß ich sie nur leicht anstoßen, vielleicht zum Schwanken bringen, nicht aber von ihrer geplanten Handlung abhalten kann. In dem Moment, als ihr Finger sich um den Abzug krümmt, lasse ich mich auf den Boden des Käfigs fallen. Ich weiß, daß es mir nicht gelungen ist, sie weit genug von ihrem Ziel abzubringen.
    Wieder sirren Kugeln wie wilde Hornissen durch den Käfig, und diesmal spüre ich zwei schmerzhafte Einschläge in meinem Rücken. Tief dringen sie nicht ein, denn es sind Querschläger, doch diese Wahnsinnige wird mich töten, wenn es mir nicht gelingt, ihr die Treffsicherheit zu nehmen. Ich bin wie ein Bär in einer Schießbude, hin und her wandere ich in meinem Käfig, auf und nieder, in dem Bemühen, den tödlichen Schüssen zu entkommen.
    Und schon

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