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Werwelt 02 - Der Gefangene

Werwelt 02 - Der Gefangene

Titel: Werwelt 02 - Der Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Stallman
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Niedergeschlagenheit. Ich gebe ihren Körper frei. Es ist mir unbehaglich, sie auf diese Weise zu binden.
    Ich bin ein lebendes Wesen, wie du.
    »Nicht wie ein Mensch«, entgegnet sie mit Abscheu. »Du bist ein Untier und du mußt ein teuflischer Geist sein, wenn du dich so verwandeln kannst. Nur ein teuflisches Geschöpf versteht sich auf solche Verwandlungskünste.« Sie legt ihre Hände in den Schoß und beugt sich vor. »Du hast Angst vor dem indianischen Zauber. Als ich ihn trug, konntest du mich nicht berühren.«
    In ihren Augen flackert wieder der Wahnsinn.
    Das ist wahr.
    »Dann bist du ein Dämon.« Sie lehnt sich zurück und verschränkt die Arme. Um die Winkel ihres großen Mundes spielt ein Lächeln. »Wenn ich noch ein Amulett hätte, würde ich dir einen spitzen Pfeil durch das Herz treiben und dich mit heiligen Bannsprüchen vernichten.« Ihr Gesicht glüht im Lampenlicht.
    Ich bin sicher, der spitze Pfahl allein würde reichen, erwidere ich freundlich, aber wenn du das alles unbedingt so sehen willst, warum wollen wir dann nicht dich als die Teufelin betrachten und mich als das arme heilige Geschöpf, das durch deinen bösen Willen zerstört wird?
    »Es ist nichts Neues, daß der Teufel bereit ist, die Bibel zu zitieren, wenn es seinen eigenen Zwecken dient«, versetzt sie höhnisch.
    Ich erinnere mich des Geistlichen, der an jenem Morgen gesprochen hat, als Robert mit den Woodsons zur Kirche ging, sage ich, während ich versuche, mich seiner Worte so genau zu erinnern, wie ich mich der Übelkeit erinnere, die er mir verursacht hat. Er sprach von Strafe anstatt von Gott, von Drohungen anstatt von Güte. Er scheint mir eher ein Teufel gewesen zu sein als ich.
    »Natürlich, du bist nur ein harmloser Bär oder eine Katze, oder was du eben sonst bist«, entgegnet sie. Sie streckt mir ihre Hände hin, als wolle sie mir ihr Mitgefühl zeigen. »Du bist etwas Unmögliches!« Sie knirscht vor Wut mit den Zähnen. So plötzlich schlägt ihre Stimme um, so groß ist die Veränderung, daß es mich nicht gewundert hätte, wenn sie eine andere Gestalt angenommen hätte. »Ich glaube nicht an deine Existenz, und hier sitze ich, in meiner eigenen Küche, und rede mit dir, als wärst du ein – ein lebendiges Wesen.«
    Ich bin ein lebendiges Wesen.
    »Du bist ein Teufel.«
    Und doch glaubst du an einen unsichtbaren Gott, halte ich ihr entgegen, ihren Gedanken folgend und über meine eigenen Worte nachdenkend, noch während ich sie ausspreche. Ich bin nur die Dinge, die ich bin, und wenn dir das unmöglich scheint, dann hast du vielleicht die falsche Vorstellung von dem, was möglich ist. Bin ich weniger möglich als ein unsichtbarer Gott, der alles sieht und hört, was jeder überall tut, der jene, die ihm nicht gefallen, dazu verdammt, auf ewig nie endenden Schmerz zu leiden?
    »Du kannst dich verwandeln, wie du willst«, entgegnet sie, während sie mich aus zusammengekniffenen Augen anstarrt. »Kein echtes Wesen, kein Wesen, das von einem Gott der Liebe geschaffen ist, kann das.«
    Ich teile diese Welt mit dir, Tante Cat.
    Ihre Bewegung ist so blitzschnell, daß ich beinahe nicht mehr rechtzeitig den Kopf einziehen kann, als sie die Garnitur von Pfeffer- und Salzstreuer aus schwerem geschliffenen Glas nach mir wirft, die die Nachbildung eines Feldstechers ist. Ich versuche, sie zu fangen, doch sie fliegt über meine Schulter hinweg und schlägt gegen den Ofen, wo sie in tausend Scherben zerspringt. Ich fege mir die Glassplitter aus dem Fell und nehme die Frau in meine Gewalt, so daß sie wieder ruhig wird.
    Ich feßle dich nicht gern so, sage ich. Aber etwas anderes bleibt mir nicht übrig, wenn du immer wieder versuchst, mir etwas anzutun.
    Sie nickt, und ich lockere die Umklammerung. Sie holt tief Atem und strafft mit einem Seufzen ihre Schultern. Sie ist sehr müde.
    »Das alles ist ein Traum«, murmelt sie und schließt flüchtig die Augen. »Ich träume. Ich träume immerzu von dir. Ich träume von Martin. Er kommt zu mir.« Sie drückt die Augen fest zusammen und weint nicht. »Ich träume davon, daß ich dich töte.«
    Dann wärst du die Mörderin, nicht ich.
    »Du bist nichts als ein Tier, das aus seinem Käfig ausgebrochen ist. Du bist vogelfrei.« Mit einem bitteren Lächeln sieht sie mich an. »Ich könnte dich töten und mir nichts dabei denken.«
    Ich setze zum Sprechen an, doch sie unterbricht mich.
    »Er war viel gütiger als ich. Er besaß echte menschliche Güte. Er würde dir verzeihen. Er

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