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Werwelt 02 - Der Gefangene

Werwelt 02 - Der Gefangene

Titel: Werwelt 02 - Der Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Stallman
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würde dich vielleicht sogar verstehen.«
    Ihr Gesicht wird weich bei dem Gedanken an ihren toten Mann. Ich warte.
    Er hat Robert einmal erzählt, daß die Welt allen Lebewesen gemeinsam gehört, und daß wir versuchen müssen, nicht zu töten, sondern Platz zu machen, erzähle ich und denke an jenen Tag zurück, als er die Schlangen tötete und danach, als wir sie verscharrten, mit mir darüber sprach.
    »Ja«, antwortet sie, den Nacken wieder von Müdigkeit gebeugt. »Er gehörte zu jenen Menschen, die die anderen töten. Die Guten sterben jung, und er war sechzig, aber er war noch immer ein Kind.«
    Er hat Robert geliebt, sage ich und empfinde in der Erinnerung die Liebe, die der Junge dem alten Mann entgegengebracht hat. Und Robert hat ihn geliebt. Scharf beobachte ich das Gesicht der Frau, um zu sehen, welche Wirkung die Worte haben werden, die ich jetzt ausspreche. Robert hat auch dich geliebt. Er hatte keine andere Mutter als dich. Und der Junge ist ein Teil von mir.
    Sie blickt zu mir auf, als wollte sie durch mich hindurchsehen, um zu entdecken, wo in diesem verhaßten Untier der kleine Junge verborgen sein könnte.
    »Wie hast du das zustande gebracht?«
    Ich weiß nicht, was du meinst.
    »Ein liebenswerter kleiner Junge zu werden, dich in unser Heim, in unser Leben einzuschleichen, den Anschein zu erwecken, du wärst einer, der du in Wirklichkeit nicht warst, und das alles nur, um ein weißes Bett zum Schlafen zu haben?«
    Alles, was lebt, umgibt sich mit Schein, erwidere ich. Vielleicht spiele ich meine Rolle besser als die meisten. Aber ich lüge nicht. Robert war echt und wahr, ein Mensch dieser Welt.
    »Du hast ihn dir übergezogen wie ein Kostüm«, entgegnet sie. Sie beginnt jetzt, sich mit dem Unwahrscheinlichen der Situation auseinanderzusetzen und wird langsam wacher. »Du bedienst dich unserer, um deine Ziele zu erreichen, gleich, welcher Art sie sein mögen, und vielleicht ist es das, was ich dir nicht verzeihen kann.«
    Du gibst vor, ein guter Mensch zu sein, aber du wärst eine Mörderin.
    »Ich würde Rache nehmen …« Sie bricht ab.
    Genau wie du tue ich, was in meiner Macht steht, um zu überleben, erkläre ich und frage mich gleichzeitig, wie weit sie an meine Realität überhaupt glauben kann. Vor langer Zeit haben wir – habe ich gelernt, in dieser Welt zu überleben, ganz auf mich selbst gestellt. Als ich zu Robert wurde, da geschah es deshalb, weil ich hier, in diesem Haus das spürte, was ihr Liebe nennt. Das ist etwas, was mich neugierig macht. Und es ist hier.
    »Was redest du da, es ist hier!« schreit sie und springt halb auf. »Du hast es getötet. Du hast es ausgelöscht.«
    Nein. Es ist immer noch hier.
    »Du hast mit uns unter einem Dach gelebt, du hast von unserem Essen gegessen und an unserem Leben teilgehabt und warst doch nur ein Tier, das sich eine Maske aufgesetzt hatte. Du brauchst keine Liebe. Warum maskierst du dich und jagst der Liebe nach?«
    Ich bin mehr als ein Tier. Ich lebe auf dieser Welt, weil ich keine andere habe, und – Verwirrt breche ich ab. Dies ist keine Frage, die ich stellen kann, die Frage nach dem ›Warum‹ des Lebens.
    Wieder betrachtet sie mich auf diese eindringliche Weise, als bemühte sie sich wirklich, mich zu verstehen.
    »Und weil dieses Schreckgespenst von einem Tier neugierig ist, schleicht es sich in unser Haus, und mein Mann kommt um. Ist denn wirklich alles so bedeutungslos, so belanglos, daß ein Mensch ohne allen Grund sein Leben verlieren kann?«
    Aus ebenso geringem Grund würdest du mich erschießen, um den Tod deines Mannes zu rächen, obwohl ich nur versucht habe, deine Familie vor Schaden zu bewahren. Ich konnte nicht wissen, daß der große Mann beim ersten Geräusch schießen würde.
    Sie scheint an jenen Tag zurückzudenken, und flüchtig fühle auch ich mich in jenem Moment der Spannung und des Entsetzens gefangen, als rasch hintereinander die zwei Schüsse losgehen, und ich spüre, daß da jemand im Tode liegt. Ich fühle mich zurückversetzt in den Schreckensmoment meiner kindlichen und unüberlegten Vergeltung, die einer gnadenlosen Wut entspringt, die zu bändigen ich noch nicht gelernt habe, so daß ich einen Menschen töte oder einen zweiten für immer zum Krüppel mache. Ich denke nicht gern daran zurück, und auch nicht an das Gesicht des alten Mannes, das in den strömenden Regen aufblickt, während seine Augen leer werden.
    Das weißt du, nicht wahr? frage ich sie stumm.
    Sie nickt.
    Du hast dich bemüht, mich

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