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Werwelt 02 - Der Gefangene

Werwelt 02 - Der Gefangene

Titel: Werwelt 02 - Der Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Stallman
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Töchter geschaffen haben, unsere Kinder, die du oben in diesem Haus zur Welt gebracht hast, und daß wir diesen Hof aufgebaut haben und zwischen uns etwas ist, das durch den Tod des einen von uns nicht erloschen ist. Ich empfinde jetzt noch, wie es in all den Jahren unserer Ehe war, und in den Jahren davor, als ich um dich warb, bis du mich endlich genommen hast. Und ich war so glücklich, als das geschah, so stolz, Cat. Ich weiß, daß wir zu Anfang nicht recht verstanden, einander zu lieben, daß es vieler Jahre bedurfte, ehe wir begriffen, was Liebe ist. Jahre des ständigen Zusammenseins, in denen wir glücklich und unglücklich waren, wütend aufeinander und dann wieder froh, und manchmal so zornig, daß einer den anderen hätte umbringen können, und zu anderen Zeiten so glücklich, als hätten wir das Paradies auf Erden. Jetzt, Cat, wissen wir, was Liebe ist, und es ist nicht etwas, das einfach aufhört. Die Tatsache meines Todes ist etwas, woran du nichts ändern kannst, Cat. Du mußt weiterleben, das tun, was du immer getan hast, den Hof zusammenhalten, mit Johns Hilfe dafür sorgen, daß alles seine Ordnung hat. Und wenn unsere Kinder den Hof nicht wollen, nun, dann verkaufe ihn. Aber du kannst nicht aufhören zu leben, das weißt du. Du könntest Claire besuchen. Sie ist einsam, und es gibt so viele Dinge, die du tun könntest. Du könntest eine ganze Menge für den Hof bekommen, da du ihn ja so gut instand gehalten hast. Cat, meine Liebste, ich bin so stolz auf dich. Laß dich nicht von düsteren Gedanken über teuflische Geister und ähnliches verwirren. Mein Tod ist ganz einfach etwas, was geschehen ist, und im Grunde hast du bisher genau das Rechte getan. Dieser Unsinn von höllischen Geistern und teuflischen Mächten bringt dich nur von deinem Weg ab, Liebste.
    »Ich höre dich, Martin«, sagte die Frau aus dem Nest ihrer Arme, in dem ihr Gesicht ruhte. Sie sah aus, als schliefe sie, doch sie lauschte, hörte, was ich dachte, obwohl ich es nicht laut aussprach.
    So ist das Leben nun einmal, weißt du. Ich habe auch nie verstehen können, daß man das Leben erst dann zu begreifen anfängt, wenn es Zeit ist, wieder zu gehen. Aber wir leben in der Welt, und so ist es nun einmal. Ich wäre lieber hier bei dir, aber du bist noch da, und das heißt im Grunde, daß wir beide noch da sind. Das vollbringt die Liebe, Cat, mein Liebstes. Sie hört niemals auf.
    Ich beugte mich zu ihr hinunter und legte meine Hand auf ihren Nacken, streichelte leicht die Stelle unter dem Kragen ihres Kleides, wo die Haut weich und weiß war. Sie hob ihr Gesicht, um mich anzusehen. Kein Hauch von Überraschung stand in ihren schläfrigen Augen.
    »Auch wenn es nur ein Traum ist, Martin«, sagte sie und stand auf, »würdest du mich noch ein letztes Mal küssen?«
    Ich nahm sie in meine Arme und spürte den leichten Druck ihrer Hände, die unter meinen Achseln zu meinen Schultern hinaufglitten. Ich küßte sie so, wie wir uns im Leben so oft geküßt hatten, in einem langen, süßen Kuß, in dem Tränen schmolzen. Dann legte sie ihren Kopf auf meine Schulter, und ich küßte leicht ihren Nacken, und wir raunten einander jene zärtlichen Laute der Liebe zu, die wir einander früher zuzuflüstern pflegten, und die mich immer so glücklich gemacht hatten. Wie lange, dachte ich, ist es her, seit wir das letzte Mal diese zärtlichen kleinen Laute geformt haben. Dann hob sie ihr Gesicht. In ihren Augen standen Tränen, doch auf ihren Zügen lag ein Lächeln.
    »Gute Nacht, Martin«, sagte sie. »Ich liebe dich.« Sie löste sich von mir und ging zur Treppe. Einmal blieb sie noch stehen, doch sie drehte sich nicht um.
    Gute Nacht, Cat, flüsterte ich. Ich liebe dich.
    Ich beuge mich hinunter und blase die Lampe aus. Dann geh ich durch die Hintertür hinaus. Ich spüre jetzt die Last meiner Jahre. Der frische Morgen wendet meinen Blick zu jenem hellen Fleck am Horizont, wo gleich die Sonne in einem Schmelzfluß glühenden Goldes aufgehen wird. Nun, denke ich, gehe ich am besten. Noch ein langer Blick auf das Maisfeld. Bis zur Hüfte würden mir die Stengel reichen, wenn ich noch einmal durch sie hindurchstreifen wollte. Das Heu wird sich bald golden färben. Über dem Hof liegt der Geruch der Kühe, die im Stall stehen, und die Hunde liegen noch schlafend unter dem Silo. Nun, wir haben das alles geschafft, es ist jetzt alles Teil unseres Lebens.
    Als Martin sich noch einmal zum Haus zurückwendet, steige ich auf und konzentriere mich.

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