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Werwelt 02 - Der Gefangene

Werwelt 02 - Der Gefangene

Titel: Werwelt 02 - Der Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Stallman
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widerlichen Pikser nicht wären, überlege ich, während ich mir die Stacheln des Feigenkaktus aus der Pfote ziehe, würde ich mich hier ganz wohlfühlen. Ein letztes Mal lecke ich mir ganz automatisch die Lefzen, dann lege ich mich nieder und blicke zum Mond auf, der wie ein halbrundes Fenster über der schimmernden Erde hängt.
    Ach ja, ich finde es höchst angenehm mit einem großen, etwas zähen Kaninchen im Bauch in wohliger Sattheit dazuliegen und mir die weiche, milde Luft um die Nase streichen zu lassen, während ich in die Dunkelheit hineinwittere, um das nächtliche Leben der Wüste von New Mexico zu erkunden. Drüben, in Richtung vom ›U‹-Berg, nehme ich einen Kojoten wahr, der, Nase und Schwanz gesenkt, als würde er an einer Schnur gezogen, auf der Spur irgendeines kleinen Tieres dahintrottet. Ekelhaft sind diese kleinen Kojoten mit ihrem heuchlerischen Getue und ihrer feigen Gangweise, wie ausgehungerte Straßenköter, aber viel bösartiger. Die Vögel sind still, nur das Flattern einer Eule spüre ich hin und wieder. Doch alle anderen Wesen in dieser weiten Einöde sind wach und lebendig, jagen oder werden gejagt, fressen, und schauen, daß sie selbst nicht gefressen werden.
    Am Fuß des Hanges der Mesa, der von ausgetrockneten Wasserrinnen durchzogen ist, sehe ich die Lichtertrauben rund um den Marktplatz der Altstadt, die trübe schimmernden Lichterketten, die sich am Fluß entlang nach Norden und nach Süden und den Highway hinauf, US Sechsundsechzig nennen sie ihn, nach Osten und nach Westen ziehen und aus dem tiefen Taleinschnitt herausführen. Weit drüben, am gegenüberliegenden Hang, stehen die dunklen Kegel der Vulkane, und in der Ferne, es sind gewiß an die zwanzig Meilen, kann ich gerade noch die Scheinwerfer eines späten Automobils ausmachen. Kaum sichtbar in der durchscheinenden Dunkelheit ist die bleiche Pyramide des Mount Taylor, hundert Meilen westlich auf indianischem Gebiet. Hinter mir erheben sich die aufgeworfenen Horste der Sandias mit ihren zerklüfteten Felszacken, so massig, daß sie selbst Berge sein könnten. Weit über mir, von meinem Lagerplatz im Vorgebirge nicht zu sehen, wird die ganze Nacht der neue Flugleuchtturm sein Licht durch die dünne Luft in dreitausend Meter Höhe senden. Es ist ein weites Land, von einer seltsamen, leeren Schönheit, dessen unendliche Himmel bei Tag von Sonne überflutet sind, oder, wie jetzt vom Licht des Mondes, der mit ungetrübtem Glanz durch einen wolkenlosen Raum schwebt. In diesem ausgedörrten Land komme ich mir vor wie ein wiederauferstandener Pharao in einem neuen Ägypten; mein Volk wartet irgendwo in einem uralten, verwitterten Heiligtum, liegt vor einem leeren Stein auf den Knien und wartet auf mich, und ich bin hier. Das würde in eine der phantastischen Geschichten passen, die Barry für die Groschenheftchen schreibt.
    Es behagt mir nicht, daß Barry mir jetzt in den Sinn kommt, wo das Leben so einfach und unkompliziert ist. Seine Mißstimmung prickelt mir unter der Haut, obwohl er in diesem Augenblick schläft, sich so tief verkrochen hat, als wäre er nie gewesen, erschöpft von seinem Menschenleben, seinen Pflichten und seiner Verantwortung. Er wollte das alles, hat darum gekämpft und wäre beinahe dafür gestorben. Armer Barry, denke ich und wälze mich auf den Bauch, entschlossen, ihn aus meinen Gedanken zu verdrängen. Ich spüre den leichten Lufthauch, der das Fell auf meinem Rücken streichelt, so daß es sich aufstellt vor Wonne, und mit dem Augenwinkel fange ich das ferne Blinken des Ansteuerungsfeuers vom Flughafen von Albuquerque auf, der weit unten zu meiner Linken liegt. Doch der Bann ist gebrochen. Wieder hat Barry mir mit seinen Sorgen, die sich in mein eigenes Leben fortpflanzen, eine Nacht verdorben. Vielleicht macht er zuviel Mühe, vielleicht sollte ich ihn einfach als einen Mißerfolg abschreiben, allmählich nämlich scheint mir mein Leben nur noch erträglich, wenn ich mich des Nachts aus Barrys engem kleinem Leben ausblende.
    Aber ich kann ihn und die Familie nicht einfach so verlassen. Ich habe noch viel von ihnen zu lernen, selbst von dem ängstlich fürsorglichen Ehemann als der Barry sich entpuppt hat. Es ist soviel Liebe da, die ich genieße wie neuen Wein. Ich habe Zeit. Ich richte mich auf und strecke meine Glieder, wobei ich sorgsam darauf achte, mich nicht in einen Kaktus zu setzen, dann mache ich kehrt und trotte in Richtung zu unserem Haus im Tal davon.
    Ich nähere mich dem Haus wie

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