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Werwelt 02 - Der Gefangene

Werwelt 02 - Der Gefangene

Titel: Werwelt 02 - Der Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Stallman
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üblich am Bewässerungsgraben entlang, das ist der sicherste Weg, beinahe völlig getarnt von Weiden und dichtem Gebüsch. Ich überspringe den Graben und husche auf der anderen Seite hinunter in den Schatten der großen Balsampappel neben Renees Garten. Die säuberlichen Reihen von Karotten, Salat und Rüben stehen buschiggrün auf den langgezogenen Erdhügeln zwischen den Bewässerungsrinnen. Ich warte einen Moment, suche mit meinem Sinn nach Barry, damit ich mich verwandeln kann, ehe ich durch die Lamellentür der Veranda trete, doch er ist tief unten, so weit in sich zurückgezogen, als läge er im Winterschlaf. Ich beschließe, ins Haus hineinzugehen und es der Atmosphäre seines Heims zu überlassen, ihn an die Oberfläche zu holen, anstatt ihn mit Gewalt zu wecken. Aber kaum habe ich einen Schritt aus dem Schatten des Baumes gewagt, da erstarre ich. Eine dünne Kinderstimme sagt flüsternd: »Ich seh’ dich, große Miezekatze.«
    Ich schicke meinen Raumsinn aus und fange ihre Schwingungen auf der dunklen vorderen Veranda ein. Sie liegt zusammengerollt in der Hängematte, einen Arm abgewinkelt, das Kinn auf den Ellbogen gestützt. Ich überlege, ob ich mich verwandeln soll, doch sie hat mich schon gesehen. Sie muß ungemein scharfe Augen haben, um den tiefen Schatten unter dem Baum durchdringen und meine Gestalt so klar erkennen zu können. Ich bleibe ganz still stehen, während ich überlege, was für Folgen sich aus diesem Zusammentreffen ergeben können, doch sonderbarerweise scheint mir nichts Bedrohliches daran. Ich fühle mich ganz unangemessen wohl, als wäre sie überhaupt keine Gefahr. Sie gehört ja zu meiner Familie. Doch ich glaube nicht, daß sie mich je zuvor gesehen hat. Jetzt klettert sie aus der Hängematte und kommt die Stufen der Veranda herunter.
    »Du brauchst keine Angst zu haben«, versichert mir Mina, während sie über das spärliche, dürre Gras geht. »Ich weiß, wer du bist, wirklich, und ich bin deine Freundin.«
    Meine Spannung läßt soweit nach, daß ich meinen Fuß zurückziehen kann und mich niedersetze.
    »Du kannst ganz bestimmt auch reden«, sagt das zierliche kleine siebenjährige Mädchen. Sie kommt ganz nahe an mich heran und betrachtet mich mit leicht nach rückwärts geneigtem Kopf. Ihre Augen scheinen in der Dunkelheit zu glühen, und einen Moment lang ertappe ich mich dabei, wie ich in diese Augen hineinsehe, als gehörten sie einem anderen Menschen in einer anderen Welt, und nicht Barrys kleiner Stieftochter. Sie funkeln wie in einem Traum, den ich einst hatte, hypnotisch beinahe in ihrer Eindringlichkeit, mehr als Kinderaugen. Ich fahre zusammen, als sie wieder zu sprechen beginnt, als wäre ich beinahe eingeschlafen gewesen.
    »Ich bin deine Freundin, und du kannst mein Freund sein, weil ich nämlich hier in der Straße gar keine richtigen Freunde habe. Nur in der Schule, und da sind jetzt Ferien. Und Benny Ochoa ist ja nur ein Mexikaner.«
    Es könnte Barry sein, der jetzt antwortet, ehe ich einen Ton hervorbringen kann.
    »Du solltest Benny wirklich nicht als Mexikaner bezeichnen. Er ist auch ein Amerikaner.«
    »Du sollst jetzt nicht mein Papa sein, ich meine, nicht mein Stiefvater. Du sollst jetzt meine große gescheite Miezekatze sein«, entgegnet sie und kommt noch näher heran, um mir ihre kleine Hand auf den Kopf zu legen, als hätte sie einen Hund oder eine Katze vor sich.
    Was würde deine Mutter sagen, wenn sie wüßte, daß du mitten in der Nacht noch im Garten bist?
    Ich komme mir ziemlich dumm vor, wie ich da im Dunkeln hocke, während die Kinderhand mir über den Kopf streicht. Aber was sagt man in so einem Fall?
    »Sie wacht bestimmt nicht auf«, erwidert Mina selbstsicher. »Du bist doch auch mein Stiefvater, nicht wahr?«
    Eigentlich sind wir ganz getrennte Wesen, beginne ich, während mir alle möglichen Fragen durch den Kopf schießen. Woher weiß sie das? Wie soll ich ihr den Sachverhalt klarmachen? Wie soll ich sie daran hindern, ihrer Mutter – oder anderen – etwas zu verraten? Wie soll ich in dieser zunehmend schwierigen Situation weiterhin ich selbst sein können? Ich fühle mich noch immer nicht bedroht, sondern im Gegenteil sehr behaglich mit der Hand des Kindes auf dem Kopf. Wäre ich in diesem Augenblick nicht so seelenruhig und gelassen, so wäre ich höchst erstaunt darüber, daß das kleine Mädchen so mutig und ich so merkwürdig fügsam bin.
    »Ich weiß nämlich, daß er nicht in Mamis Zimmer im Bett liegt, und jedesmal, wenn

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