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Werwelt 02 - Der Gefangene

Werwelt 02 - Der Gefangene

Titel: Werwelt 02 - Der Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Stallman
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beobachtete sie ihren geschiedenen Mann, wie er langsam vorn um das Auto herumging und sich dann ans Steuer setzte. Aus den Augenwinkeln erhaschte sie den Schimmer einer Bewegung an der Tür zur Damentoilette und betete stumm, daß das nicht die Mexikanerin sein möge. Mit eiserner Entschlossenheit hielt sie ihren Blick geradeaus gerichtet.
    Bill ließ das Auto mit entsetzlicher Bedächtigkeit an, legte den Gang zu schwerfällig ein, als befände er sich unter Wasser, blickte zum Highway hinaus, um den Verkehr zu prüfen. Als er den Kopf wieder drehte, um loszufahren, gewahrte Renee die Mexikanerin, die jetzt aus der Toilette kam. In höchster Verzweiflung neigte sie sich an Mina vorbei zur Fahrerseite hinüber und nickte, als hätte sie auf dem Highway einen Bekannten vorüberfahren sehen. Bill packte ihren Arm und verrenkte ihn ihr so heftig, daß sie einen Schrei nicht unterdrücken konnte, stieß sie auf ihre Seite des Wagens zurück und schlug ihr mit voller Wucht mit dem Handrücken ins Gesicht, daß ihr Kopf gegen die Sitzlehne prallte. Sie saß wie betäubt, die Arme an die Seiten gepreßt, verzweifelt bemüht, nicht zu schreien. Ihre Nase tat so weh, als hätte sie einen Schlag mit dem Hammer bekommen. Tränen sprangen ihr aus den Augen.
    »Versuch so was nochmal, du gerissenes Biest, und du wirst dein blaues Wunder erleben«, zischte Bill und ließ mit einem Ruck die Kupplung heraus. Mit aufheulendem Motor schoß der Wagen auf den Highway.
    Renee saß völlig reglos, bis ihr Gesicht sich wieder einigermaßen normal anfühlte. Dann wischte sie sich das Blut ab, das aus ihrer Nase tropfte, und suchte nach einem Taschentuch, um das Blut auffangen zu können. Sie hörte Mina leise wimmern, und als sie zu ihrer kleinen Tochter hinunterblickte, sah sie, daß sie beide Hände auf die Augen gedrückt hielt.
    »Es ist ja nicht so schlimm, Liebes«, sagte Renee. »Mir ist nichts passiert, und so was kommt bestimmt nicht wieder vor. Ich hab’ eben einen Fehler gemacht.«
    »Das kann man wohl sagen«, warf Bill ein, die Augen starr auf die Straße gerichtet, als sie durch die ersten Kurven zum Tijeras Canyon brausten. »Merk dir gefälligst, wo du hingehörst. Du bist meine Frau und wirst es in Zukunft schön bleiben lassen, dich mit so einem Judenschwein herumzutreiben, der nur ehrlichen weißen Leuten ihr Geld stiehlt.«
    »Bill«, sagte sie durch das ölverschmierte Tuch hindurch, das sie im Handschuhkasten gefunden hatte. »Denkst du eigentlich überhaupt nicht an die Kleine? Sie sitzt hier, direkt neben dir. An ihr brauchst du deine Wut wirklich nicht auszulassen. Sie ist deine eigene Tochter.«
    Es erfüllte sie mit schmerzlicher Trostlosigkeit, das so sagen zu müssen. Ach, Barry, Liebster, dachte sie, verzeih mir das, was ich tun muß, um uns vor diesem Wahnsinnigen zu retten, mit dem ich einmal verheiratet war. Sie drückte das Tuch an ihre Nase und spürte, wie der Schmerz allmählich nachließ. Sie hatte Mina einen Arm um die Schultern gelegt, und das Kind lehnte sich an sie, hielt aber immer noch die Hände auf die Augen gepreßt.
    Renee blickte aus dem Fenster, während sie durch den Canyon fuhren. Linker Hand massige Felswände, die sich über die Straße wölbten, steile Hänge, kahl und steinig; rechter Hand der jähe Abgrund, in dessen Tiefe ein kleiner Bach sich zwischen Felsbrocken und ein paar Mesquitesträuchern und Yukkas hindurchwand. Für morgen hatten sie ein Picknick geplant gehabt.
    Es wurde heißer, als sie zu einer Autoschlange aufschlossen und im Schneckentempo weiterkriechen mußten. Hinter einer weitgeschwungenen Kurve konnte sie die lange Kette von Autos und Lastwagen sehen, die langsam hinter einem massigen Möbelwagen die Landstraße hinaufzuckelten. Mit einem Ruck wurde sie plötzlich nach hinten geworfen, als der Wagen nach links gerissen wurde, aus der Kette ausscherte und an dicht aufgefädelten Fahrzeugen vorüberschoß, dem Möbelwagen entgegen, der beinahe den Hügelkamm erreicht hatte.
    Fassungslos starrte sie Bill an, als der Wagen heulend die Bergstraße hinaufraste. Sie konnte nur sein Profil sehen, die hohe Stirn, die gegen die Sonne zusammengekniffenen Augen, die scharf hervorspringende Nase und die schmalen Lippen, den massigen Unterkiefer. Er beugte sich tiefer über das Steuer des großen Wagens, wechselte mit ruckhafter, hastiger Bewegung vom zweiten in den dritten Gang, so daß das Heulen des Motors dünner wurde, zu einem Wimmern fast, während sie schneller und

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