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Werwelt 03 - Der Nachkomme

Werwelt 03 - Der Nachkomme

Titel: Werwelt 03 - Der Nachkomme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Stallman
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möchte ich lieber nicht. ‹
    › Bin ich nur ein Teil deines Geists? ‹
    › Als ich dich emporrief, warst du nicht das, was man wirklich nennt. ‹
    › Du meinst, damals, bei jenem ersten Ereignis, an das ich mich erinnern kann, als ich plötzlich draußen vor dem Haus von Dan und Polly stand? ‹
    › Ja. Als ich zum erstenmal deinen Namen sprach. ‹
    › Wenn ich kein wirklicher Mensch war, woher wußtest du dann, wie konntest du dann – wie konntest du mich dann in die Wirklichkeit rufen? ‹
    Lilly spürte, wie eisige Kälte an ihr emporkroch, wä h rend sie in diesem überheizten Zugwaggon saß. Wenn sie nicht wirklich war, wenn sie nur ein Hirngespinst dieses Geschöpfs war, dann war es sinnlos, auch nur an Bo zu denken, an ein Leben oder an Liebe.
    › Ich habe dich aus dem – dem benachbarten Raum e m porgerufen. ‹
    › Ich verstehe nicht, was das heißt. ‹
    Lilly war so weit, daß sie beinahe laut gesprochen hätte. Sie verspürte diese schreckliche Kälte in ihrem Inneren und wollte endlich wissen, die schreckliche Wahrheit wissen, so vielleicht, wie Bo von seinem Arzt hatte hören wollen, daß er Krebs hatte. Nur um endlich Gewißheit zu haben.
    › Es ist schwer für mich, dir das zu erklären, weil ihr für diesen Raum keinen Begriff habt, es sei denn in der religi ö sen Sprache, die nicht gut ist. Aber ich werde es versuchen, weil ich deine Angst begreife und sie teile, wie ich alles in deinem Leben teile, und weil ich es sehr bedaure, daß du an diesen Ort zurückkehren mußt, obwohl du es nicht wünschst. ‹
    › Soll das heißen, daß ich einfach aufhören werde, ei n fach ausgehen werde wie eine Kerze? ‹
    › Nein, natürlich nicht. Du bist ein Mensch, eine Einheit. ‹
    › Bitte erklär mir das alles. Bitte erzähle mir von diesem Raum. ‹
    › Gut. Aber vorher mußt du eines begreifen – wenn ich es dir sage, dann mußt du es akzeptieren. Du darfst nicht ve r suchen, törichte Maßnahmen zu ergreifen. Du weißt, daß ich dir meinen Willen aufzwingen werde, um mich selbst zu retten, daß ich ein anderes Menschenwesen emporrufen werde, wenn das nötig sein sollte.«
    › Ja, ich weiß. Ich werde dir zuhören. ‹
    Ihr war jetzt kalt bis in die Knochen. In einem letzten verzweifelten Bild der Erinnerung sah sie Bos zärtliches staunendes Gesicht, als sie einander geliebt hatten.
    › Ich habe dich aus der Zahl der neu Verstorbenen e m porgerufen. ‹
    »O Gott!« schrie Lilly. »O mein Gott!«
    Sie sprang auf und schlug mit dem Kopf gegen die e i serne Umrandung des Gepäcknetzes. Doch sie spürte den Schmerz nicht, ihre Augen spiegelten Wahnsinn.
    »O Gott!«
    Sie ließ ihre offene Handtasche fallen, und ihre Hände umklammerten die Frau neben ihr, die glaubte, ihr wäre übel, und eilig aufstand, um ihr Platz zu machen.
    Lilly torkelte von ihrem Sitz weg und lief taumelnd, mit blinden Augen durch den Gang. In ihrem Kopf dröhnte eine Warnung des Tiers, eine Warnung, die sich mehr in Gefühlen ausdrückte als in Worten. Sei vorsichtig, sagte diese Warnung. Sei vorsichtig, sonst werde ich dich erse t zen. Sie stieß mit dem kleinen, erschreckt aussehenden Schaffner zusammen, der sie an den Ellbogen festhielt und versuchte, ihr in das entsetzte Gesicht zu blicken.
    »Ruhig, ruhig, was ist denn los? Ist Ihnen nicht gut?«
    Die Warnung drang zu Lilly durch, und unfähig, etwas anderes zu tun als dazustehen und auf den kleinen Mann zu starren, vermochte sie sich immerhin so weit zusammenz u nehmen, ein paar Worte zu sagen. Ja, ihr wäre übel, ob er ihr die Toilette zeigen würde. Ja, sagte er, selbstverstän d lich, und er würde draußen stehen bleiben, und wenn sie etwas brauchte, dann sollte sie nur rufen. Danke, sagte sie, zeigen Sie mir nur, wo es ist.
    In der überheizten kleinen Zelle setzte sie sich nieder und atmete tief. Ohne zu denken, machte sie die dreistufige Atemübung des Yoga, und danach versuchte sie es mit der Beruhigungsatmung, dreimal durch jedes Nasenloch. D a nach konnte sie wieder denken.
    › Du sagst, daß ich tot war? ‹
    › Ja, du warst tot. ‹
    › Und ich werde wieder tot sein? ‹
    › Du wirst an jenem Ort, aus dem ich dich emporgerufen habe, weiterbestehen. Und ich glaube jetzt, obwohl ich nicht sicher bin, daß du an diesem Ort warten wirst, bis ich mein Durchgangsstadium hier vollendet habe. ‹
    › Ich werde also irgendwie bei dir bleiben, meinst du das? Werde ich wahrnehmen können, während ich – wä h rend ich wieder tot bin? ‹
    › Das

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