Werwelt 03 - Der Nachkomme
zuhörte. Er gab ihm wohl ein kurzes Resümee auf Navajo. Das Gesicht des ält e ren Mannes verschloß sich wieder, seine Mundwinkel z o gen sich nach unten. Er blickte Barry an und ließ einen langen Redeschwall in seiner Muttersprache los, verschi e dene Punkte mit emphatischen Gesten unterstreichend. Am Ende breitete er in einer hilflosen Bewegung die Arme aus, und sein Gesicht wurde sehr alt.
»Er hat von der Ziegenverbrennung erzählt«, übersetzte Johnny. »Das war vor ein paar Jahren. Ich war nicht hier, aber Albert hat ’ s miterlebt. Die Regierung hat mehr als dreitausend Ziegen zusammengekauft, zu einem Preis von ungefähr eineinviertel Dollar das Stück. Die wurden dann alle in einen großen Pferch hinausgetrieben und erscho s sen. Von einer Bande Weißer mit Gewehren, die sich dabei königlich amüsiert haben.«
Er legte eine Pause ein, während Barry das verdaute.
»Und dann schütteten sie Benzin über die Kadaver und verbrannten sie alle. Oben im Norden, mitten auf der Mesa, kann man jetzt noch die Berge von Knochen sehen. Viele von unseren Leuten haben das mit angesehen.«
»Eine feine Art, die Viehbestände zu reduzieren«, stellte Barry fest. »Aber so machen sie das eben heutzutage, und nicht nur mit den Tieren der Indianer. Sie verbrennen We i zen und schmeißen Kaffee ins Meer, um den Preis zu ha l ten. Haben Sie das Ihren Leuten erklärt?«
»So was kann man ihnen nicht erklären«, entgegnete Johnny kopfschüttelnd. »Unser Volk treibt keine Verschwe n dung dieser Art. Es ist eine Sünde, vielleicht die schlimmste Sünde, die es gibt. Und was die Preise machen, das kümmert sie nicht. Die meisten haben keine Ahnung, was das Anste i gen und das Fallen der Preise bewirkt. Für sie gehört das R i siko einfach dazu. Aber Leben, Fleisch und Felle auf diese Weise zu verschwenden, indem man sie ei n fach verbrennt!« Er wandte den Kopf und sagte etwas zu Albert. »Das ist be i nahe so, als machte man es mit Me n schen.«
Albert nickte und erwiderte etwas auf Navajo.
»Albert sagt, das wäre nur der Beweis dafür, daß der weiße Mann nun wirklich den Verstand verloren hat, und daß er mit den Menschen bald das gleiche tun wird, weil zu viele da sind.«
Das Gespräch hatte Barry abgelenkt, so daß er die be i den kleinen Mädchen und ihre Mutter draußen gar nicht hörte. Jetzt kamen sie alle drei herein, die Frau mit einem Stapel Feuerholz in den Armen. Sie gab den Mädchen ku r ze Anweisungen. Ihre Stimme war so leise, daß Barry sie kaum hören konnte. Die Mädchen waren wie ihre Mutter gekleidet, nur hatten sie weniger Silberschmuck an ihren Gewändern; doch die Ältere, die etwa zwölf sein mochte, trug genau wie ihre Mutter schwere Türkisketten um den Hals. Barry sah auch, daß die Frau mehrere silberne Ar m bänder anhatte, einige davon mit Türkisen besetzt, und daß die Knöpfe ihrer Bluse aus Silber waren.
Das Abendessen bereiteten die Frauen gemeinsam. Es bestand aus einem Hammeleintopf, zu dem es frischgeb a ckenes Brot gab, das die Frau gemacht hatte. Sie schlug dazu den Teig zwischen ihren Händen hin und her und briet die Fladen dann in einer Pfanne auf einem provisor i schen Rost über dem Feuer. Zum Abschluß des Essens gab es Kaffee, und als sie fertig waren, stellte Barry mit Übe r raschung fest, daß es ihm köstlich geschmeckt hatte.
Träge saßen sie alle nach dem Essen herum. Barry sagte sich, daß er zu kräftig zugelangt und sich wie ein Vielfraß benommen hatte, doch sie hatten ihm ja immer wieder von dem Eintopf aufgedrängt, und er hatte einfach höflich sein wollen. Jetzt fühlte er sich so, als müßte er einen Ve r dauungsschlaf von mindestens einer Woche halten.
Johnny machte eine kurze Bemerkung, und nachdem Albert ihm geantwortet hatte, wandte er sich Barry zu.
»Der alte Fischermann, der Großvater, ist oben im C a nyon bei den Begays zu Besuch. Und von der Schwester meiner Mutter die – ach, ich weiß nicht genau, wie wir verwandt sind, jedenfalls eine junge Frau –, die ihrem Mann im Norden davongelaufen ist, ist ebenfalls dort zu Besuch. Da findet morgen Abend die Feier statt, wenn alle rechtzeitig eintreffen.«
Als es schon ziemlich dunkel war, und die Mutter das Geschirr in einer kleinen Schüssel mit warmem Wasser gespült hatte, und sie den letzten Rest des dünnen Kaffees getrunken hatten, traten Albert Chee und Johnny und Barry aus der Hütte und wanderten am Rand des Flüßchens en t lang, das sich durch die Mitte des Tals wand.
Albert
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