Werwolf-Hölle
das nicht. Aber denken Sie an den Werwolf.«
»Lächerlich!« rief er mir zu. Warme Speicheltropfen trafen mein Gesicht, so dicht stand er bei mir. »Haben Sie nicht gesehen, daß eine Kugel ausreichte, um ihn zu killen?«
»Das ist kein Werwolf gewesen, Mr. Taylor!«
»Wieso nicht?«
»Sie können eine derartige Bestie nicht mit einer normalen Kugel vernichten. Sie besteht aus Blei, das brauche ich Ihnen als Jäger nicht zu sagen. Einen Werwolf können Sie mit einer Silberkugel ausschalten. Das müssen Sie mir glauben.«
»Ist doch wunderbar, Sinclair. Was hätte uns denn besseres passieren können? Wir haben es hier nur mit normalen Wölfen zu tun, und wir sind bewaffnet. Ist das super oder nicht?«
»Lassen Sie trotzdem Vorsicht walten, Mr. Taylor.«
»Werde ich, keine Sorge. Und ich habe auch noch das Bild meines Jägerfreundes vor Augen. Der Mann war nur noch blutiges Fleisch. Daß er geredet hat, ist ein Wunder. Jetzt glaube ich, daß er sich in einem Delirium befunden hat und nicht mehr unterscheiden konnte zwischen einem normalen Wolf und einem Werwolf. Aber ich kann es. Sie haben es mir ja soeben erklärt.« Für ihn war die Sache erledigt. Mit der linken Hand faßte er nach dem innen angebrachten Riegel der Tür und drückte ihn zurück. Die kleine Tür war jetzt offen. Außen schloß sich bereits die erste Stufe der Leiter an.
»Decken Sie mir den Rücken?«
»Ja.«
Es hatte keinen Sinn, noch weiter auf ihn einzusprechen. Winston Taylor war nicht zu belehren. Ihn hatte ein besonderes Jagdfieber erfaßt.
Bevor er auf die erste Stufe trat, schaute er nach unten. Die Fläche der Lichtung glich der Oberfläche eines Sees, über den nicht der leichteste Windhauch strich. Nach wie vor stand der Mond am Himmel und schickte sein silbernes Licht in die Tiefe.
Taylor hatte das Gewehr unter seine rechte Armbeuge geklemmt. Wenn nötig, würde er auch beim Herabsteigen der Leiter schießen können. Das war zunächst nicht nötig, denn es ließ sich kein Wolf blicken. Es war auch nicht sicher, ob sich die Tiere unter dem Hochsitz verkrochen hatten. Sie konnten ebensogut hinter uns im Wald verschwunden sein. Einer nur lag auf der Lichtung, die Beine von sich gestreckt.
Er würde sich nie mehr erheben können.
Ich blieb auf dem Hochsitz stehen und ließ meinen Blick schweifen. So gut wie möglich wollte ich die Umgebung überblicken und schaute dabei auch durch das Fernglas.
Nein, da war nichts. Selbst als ich mich gedreht und hinter mich geschaut hatte, war am Waldrand keine Bewegung zu sehen.
Mittlerweile hatte Taylor die Leiter hinter sich gelassen. Er stand neben ihr und hatte den Kopf in den Nacken gelegt. »He!« rief er zischend zu mir hoch. »Sie können kommen, ich habe es geschafft.« Ein knappes Lachen folgte. »Manchmal ist eine Kugel immer noch die beste Medizin, glauben Sie mir.«
Ich gab ihm keine Antwort. Ich wußte es zwar nicht besser, doch im Gegensatz zu Taylor hatte ich meine Erfahrungen sammeln können, auch mit Werwölfen. Ich wußte genau, wie gefährlich und raffiniert sie waren. Wie sie sich versteckten, um plötzlich und unerwartet zuzuschlagen.
Die Gefahr war noch nicht gebannt. Und der Werwolf war ebenfalls noch nicht erschienen. Es war zu hoffen, daß sich der Zeuge geirrt hatte, so recht daran glauben konnte ich jedoch nicht.
Die Sprossen waren hart genug, um das Gewicht eines Menschen tragen zu können. Nur die Feuchtigkeit störte mich, aber ich gelangte auf die Lichtung, ohne auszurutschen.
Neben Taylor blieb ich stehen. Er war noch immer euphorisch. »Ist doch super – oder?«
»Abwarten.«
»Mann, Sie sind ein verdammter Pessimist.«
»Realist, mein Lieber.«
»Egal.« Er trat zur Seite. »Was machen wir mit den verdammten Wölfen? Ich will sie nicht laufen lassen, deshalb schlage ich vor, daß wir uns auf die Pirsch begeben.«
»Das heißt, Sie wollen durch den Wald laufen?«
»Müssen wir doch – oder? Da wartet noch Ihr Kollege im Wagen, Mr. Sinclair. Kann sein, daß der etwas gesehen hat.«
»Gute Idee.«
»Die habe ich immer.«
Ich gab dem Mann einen zu. Er kannte sich in den Regeln nicht aus, aber er war auf der Hut. Als ich mein Sprechgerät hervorholte, um mit Suko Kontakt aufzunehmen, schlich er mit schußbereitem Gewehr zur Seite und verließ die unmittelbare Nähe des Hochstands. Er konzentrierte sich jetzt auf den Waldrand hinter dem Hochsitz. Da hatte er gar nicht mal so unrecht.
Suko meldete sich nicht.
Ich versuchte es dreimal. Dann war
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