Wes - Wächter der Nacht
glaubst, mir wurde eine neue Karte geschickt, und ich habe den Brief weggeworfen, ohne ihn zu öffnen?“, begriff er. „Tja, verdammt noch mal, offenbar bin ich immuner gegen Werbung, als gut für mich ist.“ Er lächelte gezwungen und steckte die abgelaufene Kreditkarte zurück in seine Börse. „Na schön.“
In Brittany keimte der Verdacht auf, dass die abgelaufene Kreditkarte ihn übler in die Klemme brachte, als er zu erkennen gab. „Wo übernachtest du?“
„Weiß ich noch nicht. Wahrscheinlich fahre ich zurück nach San Diego. Ich wollte in ein Motel gehen, aber …“ Er schüttelte den Kopf und lachte verärgert. „Ich soll Amber morgen in aller Frühe im Studio treffen. Wenn ich also nach Hause fahre, habe ich gerade eben Zeit genug für ein kurzes Nickerchen, bevor ich mich wieder auf den Weg nach L.A. machen muss.“
„Wenn du willst, kannst du bei mir auf der Couch schlafen“, bot Brittany an.
Er schaute sie an, und seine blauen Augen wirkten sehr ernst. „Du solltest vielleicht lernen, Männern gegenüber, die du gerade erst kennengelernt hast, etwas weniger großzügig zu sein.“
Sie lachte. „Ach, komm schon! Ich höre seit Jahren immer wieder von dir, und ich habe ernste Zweifel, dass du ein Serienmörder bist. Ich meine, das hätte ich inzwischen sicherlich erfahren. Außerdem, was bleibt dir denn groß übrig? Willst du etwa im Auto schlafen?“
Genau das hatte er tatsächlich vorgehabt. Sie konnte es ihm an den Augen ablesen, an seinem Lächeln. „Ehrlich, Brittany, du kennst mich doch gar nicht.“
„Ich kenne dich gut genug“, sagte sie ruhig.
Wes schaute sie etliche lange Sekunden einfach nur an. Sie konnte weder in seinem Gesicht noch in seinen Augen lesen. Wenn sie sehr jung und dumm gewesen wäre und noch daran geglaubt hätte, dass das Leben ein Liebesroman war, dann hätte sie jetzt gewagt zu träumen, dass Wes Skelly sich in genau diesem Moment in sie verliebte.
Aber sie hatten sich darauf geeinigt, dass zwischen ihnennichts laufen würde. Sie war nicht sein Typ. Er hatte irgendetwas mit der Frau seines guten Freundes Wizard. Und Brittany wollte gar nicht, dass sich irgendwer in sie verliebte. Sie hatte mit der Schule genug um die Ohren, musste sich erst noch an der Westküste einleben und …
Vielleicht hatte der Mann Blähungen.
„Okay“, sagte er schließlich. „Das Angebot mit der Couch klingt großartig. Danke. Ich weiß das sehr zu schätzen.“
Brittany stand auf, schnappte sich ihre Handtasche und ihre Jacke. „Im Haus wird aber nicht geraucht“, erklärte sie, als er ihr zum Ausgang folgte.
„Ich sagte doch, ich habe aufgehört.“
Sie warf ihm einen bedeutungsvollen Blick zu, und er lachte. „Ehrlich“, sagte er, „diesmal wird alles anders.“
3. KAPITEL
H allo, Andy“, rief Brittany, als sie die Tür zu ihrer Wohnung öffnete.
„Hallo, Britt“, gab ihr Adoptivsohn zurück. „Wie ist es mit der Last gelaufen?“
Brittany warf Wes einen Blick zu, ein Lachen in den Augen. „Ähm, Schätzchen?“, rief sie Andy zu. „Die … Last steht neben mir.“
Wes musste unwillkürlich lachen, während er sich umsah.
Die Wohnung war sehr klein, aber nett eingerichtet: gemütliche Möbel, helle freundliche Farben. Ein Wohnzimmer, eine Wohnküche, ein kleiner Flur, der von der Küche nach hinten zu zwei Schlafzimmern führte.
Brittany hatte ihm auf dem Weg hierher erzählt, dass die Wohnung zwar deutlich kleiner war als ihr Haus in Appleton, Massachusetts, aber dennoch einen gewaltigen Vorteil hatte: Die Schlafzimmer waren geräumig, und es gab ein großes Bad mit Fenster.
Andy kam aus dem Flur. Er trug Shorts und ein T-Shirt, war barfuß, und seine dunklen Haare waren verstrubbelt. Nach außen gab er sich alle Mühe, total cool zu wirken, aber er platzte fast vor Neugier.
„Hallo.“ Er nickte Wes grüßend zu, registrierte die Reisetasche in der Hand des Mannes und schaute Brittany an. „Wenn das keine Überraschung ist!“
„Er schläft auf der Couch“, stellte Brittany erfrischend offen klar. „Komm ja nicht auf dumme Gedanken, du Teufelsbrut!“
„Habe ich irgendetwas gesagt?“, gab Andy zurück. „Ich habe kein Wort gesagt.“ Er streckte Wes die Hand entgegen. „Nett, Sie wiederzusehen, Sir! Entschuldigen Sie, dass ich Sie als Last bezeichnet habe.“
„Nicht Sir, sondern Chief“, korrigierte Wes, „aber am liebsten wäre es mir, wenn du mich einfach Wes nennst.“
Andy nickte und ließ seinen Blick zwischen Wes und
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