Wes - Wächter der Nacht
zu erforschen. Er war sicher, dass er das keine zwei Abende nacheinander ertrug. „Bobby und ich wurden einander als Schwimmpartner zugeteilt. Es war Antipathie auf den ersten Blick.“ Er grinste. „Ich schätze, sie haben uns absichtlich zusammengesteckt, weil wir körperlich so verschieden waren. Er ist sozusagen doppelt so lang wie ich und wiegt auch ungefähr das Doppelte.“
Brittany lächelte. „Ich kenne ihn.“
„Für einen so großen Mann kann er sich verdammt schnell bewegen. Sein Vater spielte für Michigan State Football und sollte in die Nationalmannschaft aufgenommen werden, aber dann demolierte er sich das Knie. Wusstest du das?“
Sie schüttelte den Kopf.
„Dan Taylor. Er machte seinen Abschluss und ließ sich dann etwa ein Jahr lang treiben. Er war groß, so groß wie Bobby. Seine Frau lernte er kennen, als er in Albuquerque auf einer Baustelle arbeitete, soweit ich weiß. Sie war seine Vorgesetzte – das hätte ich zu gern gesehen –, indianischer Herkunft, selbst etwa eins achtzig groß und … Egal, sie verliebten sich, heirateten und bekamen Bobby. Sein Vater wollte natürlich, dass er Footballspieler wird. Bobby war schon als Kind sehr groß und, wie gesagt, äußerst schnell. Er hätte wahrscheinlich Profispieler werden können, aber er trat in die Navy ein – und brach damit seinem alten Herrn das Herz. Bobby hatte von den SEALs gehört und wollte selbst einer werden.“
Wes schmunzelte. „Also, da war er nun. BUD/S, Tag eins. Keiner kennt den anderen. Wir alle wissen nur: Jetzt ist es so weit. Wir sind hier. Wir haben die Chance, ein SEAL zu werden. Wir alle wissen, dass die meisten es nicht schaffen, dass sie das Training nicht überstehen und aussteigen. Sie versagen. Aber ich bin da und denke mir: ich nicht. Mir passiert das nicht, ich gebe nicht auf. Und ich schaue mich um, sehe all die Jungs aus sämtlichen Ecken der USA, und ich denke: Verdammt, ich bin hier der Kleinste und Magerste von allen. Weißt du, nach etlichen Jahren in der Navy weiß ich schon, dass es nicht immer ratsam ist, deutlich anders zu sein. Und ich mache mir deshalb Sorgen. Nicht allzu viele, aber … Denn ich weiß ja, wie schon gesagt,dass ich nicht aufgebe. Vielleicht gehe ich dabei drauf, aber ich gebe nicht auf. Also schaue ich mich um und denke: Sieh dir den an, der packt es nicht. Und großer Gott, der da ist noch vor Ende der Woche weg vom Fenster. Und nun guck dir bloß den da an. Der ist ja ein Monster. Doppelt so lang wie ich, aber so was von fett. Wie zum Teufel ist der in dieses Trainingsprogramm geraten? Der hält keine zwei Minuten durch.“
Er räusperte sich. „Und ich stehe da, höre mir an, wie die Ausbilder uns was von Schwimmpartnern erzählen. Uns sagen, dass wir paarweise arbeiten und ohne den Partner nirgendwohin gehen und nichts tun werden – nicht mal pinkeln –, ehe nicht das Training beendet ist. Wenn wir schwimmen, schwimmen wir nur so schnell, wie der Langsamste von uns beiden schwimmen kann. Wenn wir laufen, genau das Gleiche. Was immer wir tun, wir tun es zusammen. Ich gebe mir Mühe, mich auf das zu konzentrieren, was sie sagen, weißt du. Aber ein Teil von mir denkt die ganze Zeit: Okay, ich bin klein, aber schnell und hart, und solange sie mich nicht mit einem dieser Monster belasten … Und natürlich machen sie den Fettsack zu meinem Partner.“
„Bobby Taylor ist nicht fett!“, protestierte Brittany.
„Damals war er … na ja, nicht wirklich durchtrainiert. Er war groß und stark, aber so ein bisschen wie ein Sumoringer.“
Sie lachte. „Das glaub ich dir nicht! Du …“
„Frag ihn einfach, wenn du ihn das nächste Mal siehst! Er wird es dir bestätigen. Er war noch ein halbes Kind. Genau wie ich auch. Er hatte noch ordentlich Babyspeck am Körper. Egal, jedenfalls schaue ich den Typen an …“ Er unterbrach sich. „Willst du den Rest der Geschichte überhaupt hören oder nicht?“
„Ja, auf jeden Fall!“
„Okay, denn wenn nicht …“
„Doch, ich will die ganze Geschichte hören. Du schaust dir den Typen an – Bobby, richtig?“
„Ja. Und er schaut mich an, mustert mich von oben bis unten, und ich weiß: Ihm gefällt genauso wenig, was er sieht, wie mir. Und er sagt: ‚Du hast kein Körperfett. Die Wassertemperatur ist um diese Jahreszeit sehr niedrig. Die Gischttortur wird dich umbringen, Mann. Spätestens um Mitternacht bist du raus.‘ Und ich sage: ‚Das geht schon in Ordnung. Ich krieche dir einfach in den Bauchnabel, um mich warm
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