Wes - Wächter der Nacht
Hurensohn gesagt! Ich hab’s gehört!“
„Es tut mir so leid!“, sagte Brittany. Sie wandte sich ab. „Um ehrlich zu sein, Andy, ich glaube nicht, dass eine gynäkologische Untersuchung jetzt noch irgendwelche Beweise liefern kann. Hat sie geduscht? Sie hat doch ganz bestimmt geduscht, oder?“
„Natürlich, mindestens hundertmal.“
Wes zog sein T-Shirt an, während Brittany sich eine Jeans und ein Shirt überstreifte, sich die Haare bürstete und zu einem Pferdeschwanz zusammenband.
Er blieb nahe bei ihr, wünschte, er könne irgendetwas tun, um zu helfen, aber es gab nichts. Nicht in dieser Situation.
„Hat er sie verletzt?“, fragte Brittany.
„Logisch.“
Sie schüttelte den Kopf, presste die Hand an die Stirn. „Nein, Andy, ich weiß, dass er … Ich frage, ob … Oh Gott. War er grob? Hat er sie verletzt, gibt es Spuren von Gewaltanwendung?“ Sie schaute Wes an. Tränen standen in ihren Augen. „Ich kann nicht glauben, dass ich ein solches Gespräch mit meinem Sohn führe.“
Wes hielt ihrem Blick stand. Er wünschte, er könnte Dustin Melero zur Strecke bringen und ihn in Stücke reißen. Aber er wusste, dass Brittany im Moment etwas anderesbrauchte, nämlich ihn, an ihrer Seite.
„Ich weiß nicht“, antwortete Andy. „Sie spricht nicht mit mir. Sie hat sich im Badezimmer eingeschlossen. Mom, sie ist vollkommen durch den Wind wegen dieser Sache. Sie glaubt, es sei ihre Schuld. Ich habe entsetzliche Angst, dass sie sich etwas antut. Bitte, komm her. Wenn überhaupt jemand mit ihr reden kann, dann du.“
„Ich bin schon unterwegs. Gib mir deine Telefonnummer.“ Einen Kugelschreiber fand sie auf ihrer Kommode, aber kein Papier. Sie suchte hektisch nach irgendetwas, worauf sie die Nummer notieren konnte.
Endlich konnte er etwas tun. Wes hielt ihr den Arm hin. Sie schaute ihn an, und er nickte nur. Als Andy die Nummer durchgab, schrieb sie sie nieder. Auf Wes’ Arm.
„So verlieren wir sie wenigstens nicht“, erklärte er. „Lass dir auch gleich die Adresse geben.“
„Kommst du mit?“, fragte sie.
„Natürlich.“ Wieder schossen ihr Tränen in die Augen, aber sie wischte sie hastig fort. „Andy, ich brauche die Adresse.“ Andy gab sie durch, und sie schrieb auch die Adresse auf Wes’ Arm.
„Lass mich mit ihm sprechen“, sagte Wes.
Sie gab ihm das Telefon.
„Hallo, Andy, hier ist Wes Skelly“, sagte er. „Hör mal, deine Mom und ich fahren jetzt gleich los, aber wir werden ein paar Stunden brauchen, bis wir da sind. Wir melden uns von unterwegs, in Ordnung?“
„Ja.“
„Inzwischen telefoniere ich mit einer Freundin von mir. Sie ist Psychologin und hat ziemlich viel Erfahrung in der Arbeit mit Vergewaltigungsopfern. Wenn ich sie zu Hause erreiche – was um diese Zeit ganz gut klappensollte –, kann sie in wenigen Minuten bei dir sein. Sie heißt Lana Quinn.“
Brittany zuckte zusammen und sah ihn an, schaute dann aber rasch wieder weg, als wollte sie nicht, dass er sah, wie sie auf diese Ankündigung reagierte.
Er wollte Lana anrufen.
Lana, die er seit Jahren liebte.
Lana, an die er in den letzten vierundzwanzig Stunden kein einziges Mal gedacht hatte.
Lana, deren Name Brittany aufhorchen ließ und sie womöglich … eifersüchtig machte?
Junge, Junge.
Wes gingen tausend Dinge durch den Kopf, aber jetzt hatte er keine Zeit, sich näher mit diesen Gedanken zu befassen.
„Lana wird mit Dani sprechen“, fuhr er fort. „Durch die Badezimmertür, falls nötig. Sie ist gut, Andy. Sie kann helfen, okay? Lass sie bitte rein, wenn sie kommt.“
„Ja“, antwortete Andy. „Danke.“
„Wir sind so schnell wie möglich bei euch.“ Damit legte Wes auf und wandte sich Brittany zu. „Fahren wir. Ich rufe Lana vom Auto aus an.“
Es war schon spät, aber auf den Nebenstraßen war noch viel Verkehr Richtung Schnellstraße unterwegs.
Brittany saß neben Wes im Auto und bemühte sich, trotz ihrer Nervosität ruhig zu bleiben. Andy brauchte sie, und sie war wer weiß wie weit von ihm entfernt. Das trieb sie fast zum Wahnsinn.
Und als wäre das noch nicht schlimm genug, hing Wes am Telefon und rief Lana, das Aas, an.
Oh Gott, wie sehr sie diese Frau doch hasste!
„Hallo, ich bin’s“, sagte er. Natürlich, Lana würde sofort seine Stimme am Telefon erkennen, sogar an einem Wochenende weit nach Mitternacht.
Sei nicht eifersüchtig. Sei nicht eifersüchtig. Sei nicht …
Zum Teufel damit! Hatte sie nicht jeden Grund zur Eifersucht? Vor wenigen Minuten war
Weitere Kostenlose Bücher