Wesen der Nacht
Stein, der anstelle eines Herzens in der Dämonenbrust ruhte und sie mit Lebensenergie erfüllte, und der obendrein ein begehrtes magisches Artefakt war. »I ch weiß, was ein Herzstein ist.« Vorsichtig legte ich den Stein in das Fach zurück und öffnete das Journal. »D ads Tagebuch«, flüsterte ich und strich ehrfürchtig über die Seiten, die mit seiner klaren Handschrift vollgeschrieben waren. Da ich unmöglich alles sofort lesen konnte, aber auch nicht wusste, wo ich anfangen sollte, blätterte ich zu dem Eintrag, den Dad am Tag nach meinem Geburtstag gemacht hatte.
Serena hat so traurig ausgesehen, als ich wieder fort musste. Dabei war es schon schlimm genug, ihr zu sagen, dass Trick nicht kommen kann. Aber das Tor darf nicht unbewacht bleiben. Trick später von der Feier zu erzählen, ist mir auch nicht leichtgefallen. Aber er weiß, welche Opfer uns unsere Aufgabe abverlangt, und er ist bereit, sie auf sich zu nehmen. Trotzdem zerreißt es mir das Herz, meine Familie getrennt zu sehen. Ich weiß, dass es für Bev das Beste ist. Sie könnte es nicht ertragen, hier zu leben. Mein Gott, wie sehr ich sie vermisse.
Tränen traten mir in die Augen und ich blätterte rasch weiter, weg von diesen privaten Gedanken meines Dads, bis eine andere Stelle meine Aufmerksamkeit auf sich zog:
Es sind Fremde im Ort. Nicht irgendwelche Urlauber, da bin ich mir sicher. Trick meint, einer der Männer sei ihm gefolgt, er konnte ihn aber abhängen. Greg sagt, dass sie überall im Ort Fragen stellen – nach Trick und mir. Noch wissen sie nicht, wo wir wohnen, die Leute hier halten dicht. Aber früher oder später werden sie uns finden. Wir müssen auf der Hut sein.
Es folgten ein paar Notizen, die mir nichts sagten, ehe ich auf die nächste interessante Stelle stieß:
Es wird immer schwieriger mit Bev. Heute haben wir richtig gestritten. Sie weigert sich immer noch, Serena vom Jenseits zu erzählen. Ich weiß, dass sie sie nur schützen will, aber gerade diese Ahnungslosigkeit kann unsere Tochter in Gefahr bringen. Serena muss wissen, was um sie herum passiert. Nur so können wir sie wirklich schützen.
Am liebsten würde ich heute noch nach London fahren und ihr alles sagen. Aber jetzt ist es zu gefährlich. Meinen geplanten Besuch habe ich abgesagt, ich habe Angst, dass mir jemand nach London folgen und die beiden finden könnte. Auf unseren Kontrollgängen achten wir darauf, dass uns niemand bemerkt. Zum Tor gehen wir nur zu Fuß, am Fluss entlang. Morgen muss ich allerdings den Geistwandler hinbringen, den Derek gefangen hat. Ich kann die Übergabe nicht länger hinauszögern, denn der Dämon ist schon länger eingesperrt, als gut für ihn ist. Wenn ich ihn zum Tor bringen will, muss ich den Wagen nehmen. Ich hoffe, dass sie mich nicht entdecken.
In einer Mischung aus Sorge und Neugier las ich weiter:
Sie haben uns gefunden. Heute hing eine Nachricht an der Tür, dass sie mich am Abend treffen wollen. Sie hätten etwas, das mich überzeugen würde, sie anzuhören. Ich werde hingehen. Zum Glück haben sie nichts von Trick geschrieben. Er besteht darauf, mir unbemerkt zu folgen und alles aus sicherer Entfernung im Auge zu behalten. Wir müssen herausfinden, wer diese Männer sind und was sie von uns wollen, bevor wir etwas gegen sie unternehmen können. Den Geistwandler habe ich zum Tor gebracht. Allerdings werde ich noch warten, bevor ich ihn abholen lasse – es ist kein guter Zeitpunkt, das Tor zu öffnen.
Es war der letzte Eintrag, er stammte vom selben Tag wie die Zeitung, die ich bei meiner Ankunft auf dem Küchentisch gefunden hatte. Wie betäubt schloss ich das Buch, in der Gewissheit, dass ihnen etwas zugestoßen war. »S ie sind tot«, flüsterte ich.
»B lödsinn!« Drizzle sprang von der Schreibtischplatte auf meinen Oberschenkel. »W enn sie tot wären, stünde das Tor so weit offen wie der Mund meiner schlafenden Großmutter.« Ein wenig unbeholfen tätschelte er mein Bein. »D ie sind nicht tot, höchstens verschleppt. Vielleicht hat sie ja jemand in eine viel zu kleine Kiste gesperrt.«
Sein Versuch, mich zu trösten, entlockte mir ein trauriges Lächeln. Aber der erste Satz weckte meine Hoffnung. »W as meinst du mit dem offenen Tor?«
»I st doch glasklar, Babe«, sagte er in seinem besten Dummes-Ding-Tonfall. »D as Tor wird durch Magie verborgen und geschlossen gehalten. Wenn man die Zauber aber nicht regelmäßig erneuert, werden sie immer schwächer, bis sie schließlich ganz erlöschen und–
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