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Wesen der Nacht

Wesen der Nacht

Titel: Wesen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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bumms!– kann jeder zwischen den Welten hin und her marschieren, wie es ihm gerade passt. Das Schwächerwerden erleben wir gerade. Vielleicht kannst du dich ja an den Schatten erinnern, der–«
    »D rizzle, ich bin vielleicht ahnungslos, aber weder vergesslich noch dämlich.«
    »M einetwegen. Jedenfalls bedeutet das, dass der Torwächter lebt. Wäre er nämlich tot, würde der Zauber sich im Augenblick seines letzten Atemzugs schlagartig auflösen. Und schon sind wir wieder beim offenen Mund meiner Großmutter, wenn du mir jetzt folgen kannst.«
    »K ann ich.« Ich war so erleichtert, dass ich ihn am liebsten umarmt hätte. Aber in Anbetracht seiner Größe beschränkte ich mich auf ein Lächeln und ein »D anke, Drizzle.«
    Er grinste selbstgefällig. »J eder sollte einen Kobold haben, der ihm sagt, wo es langgeht.«
    »E s ist schon Nachmittag. Cale hat sicher Hunger.« Ich stand auf und machte mich auf den Weg in die Küche.
    »G eh nur zu deinem Geistwandler«, rief Drizzle mir hinterher. »A blenkung hilft gegen Trübsal. Ich bleibe dann so lange hier und trinke noch ein Schlückchen, damit ihr zwei Turteltäubchen ungestört seid. Nicht, dass ich den Eindruck habe, du hättest den Mut, zu tun, was du willst– aber vielleicht überraschst du mich ja. Und wenn du meinen Rat brauchst, weißt du ja, wo du den großen Drizzle findest.«
    Er redete und redete, doch mit jedem Schritt, den ich mich vom Arbeitszimmer entfernte, wurde sein Geplapper leiser, bis ich ihn schließlich nicht mehr hören konnte. Der große Drizzle. Das brachte mich tatsächlich zum Grinsen. Für ein so kleines Wesen wusste er in der Tat eine Menge– und er hatte das Herz auf dem rechten Fleck. Auch wenn er das vermutlich so niemals zugeben würde.
    Cale saß am hinteren Ende der Zelle, mit dem Rücken an die Wand gelehnt. Als ich den Raum betrat, stand er auf. »H ast du Hunger?«
    »U nd wie.«
    Zum ersten Mal fragte ich mich, wie er so lange ohne Nahrung und Wasser hatte auskommen können. »W ie hast du das ausgehalten? Hättest du nicht verhungern oder verdursten müssen?«
    »I ch bin kein Mensch, auch wenn ich so aussehe. Wir Geistwandler essen– und das gerne, aber wir können es auch längere Zeit ohne Nahrung aushalten. Viel länger als ihr Menschen.«
    Er kam näher ans Gitter heran, hielt aber Abstand zu den silbernen Stäben. »S timmt etwas nicht? Du wirkst bedrückt.«
    Ich setzte an, ihm zu erzählen, was ich herausgefunden hatte, stellte aber fest, dass es leichter war, ihn einfach in meinen Geist blicken zu lassen. Für ein paar Sekunden verharrte er konzentriert, dann schüttelte er den Kopf. »D as muss nichts bedeuten, Prinzessin. Vielleicht beobachten sie diese Männer nur.«
    »Z wei Wochen lang?«
    Cale zuckte die Schultern. »W er weiß das schon? Aber Drizzle hat recht, sie müssen noch leben. Sonst stünde das Tor weit offen. Und wir werden sie finden.«
    Ich trat zu ihm, griff durch die Gitterstäbe und legte meine Hände auf seine. Er lehnte seinen Kopf nach vorne und ich tat es ihm nach, bis ich zwischen den Stäben seine Stirn an meiner spürte. »D anke, Cale.«

29
    Wenig später hatte Cale den Stapel Sandwiches verdrückt, den ich ihm gebracht hatte. Als ich näher kam, um ihm den leeren Teller abzunehmen, wich er nicht vom Gitter zurück, kam sogar noch einen Schritt näher. Einmal mehr waren wir uns ganz nah, unsere Gesichter nur durch die Gitterstäbe voneinander getrennt. Wir sahen uns an und ich hatte das Gefühl, in seinen grünen Augen zu versinken. Sein Gesicht kam näher und ich bewegte mich auf ihn zu … als jemand brüllend die Treppe heruntergepoltert kam. Es war Drizzle, und ich wusste nicht, ob ich ihm danken oder ihn dafür verfluchen sollte, dass er in dem Augenblick, in dem unsere Lippen einander näher kamen, in den Keller stürmte und brüllte: »D er Kasten auf dem Schreibtisch scheppert!«
    Ich fuhr von Cale zurück, dabei hätte ich fast das Geschirr fallen gelassen, und brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass er das Telefon meinte. Ich rannte die Treppen nach oben ins Arbeitszimmer. Als ich das Telefon erreichte, hatte sich gerade der Anrufbeantworter eingeschaltet. Außer Atem wartete ich darauf, zu hören, wer dran war. Und ich war froh, dass mich dieses praktische Gerät vor der Dummheit bewahrt hatte, einfach abzuheben. Was, wenn Mom es war, die hier anrief? Schon begann jemand auf das Band zu sprechen.
    »I ch hoffe, es ist nichts passiert, was dich davon abhalten

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