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Wesen der Nacht

Wesen der Nacht

Titel: Wesen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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Minuten… Cale würde es nicht mehr rechtzeitig schaffen. Wenn der Mond erst aufging, würde ihn sein Auftraggeber töten– und ich würde ihm bald folgen.
    »L asst meine Schwester in Ruhe!« Die Stimme donnerte über das Rauschen des Wassers hinweg und erfüllte die Höhle bis in den letzten Winkel. »N ehmt mich.«
    »P atrick!«, hörte ich Dad rufen.
    Ich wollte herumfahren, doch Joshs Klammergriff hinderte mich daran, weshalb ich mir beinahe den Hals verrenkte, um einen Blick auf Trick zu erhaschen. Er war eine jüngere Version unseres Dads – und im Augenblick auch eine deutlich gesündere. Sein dunkles Haar war kürzer, fast schon militärisch kurz, doch die Entschlossenheit, die ich in seinem glatt rasierten Gesicht erkannte, war ein Spiegelbild dessen, was ich zuvor in Dads Zügen gesehen hatte. Seine muskulöse Gestalt wirkte kleiner, als ich in Erinnerung hatte, das änderte jedoch nichts an der einschüchternden Dynamik, die er durch seine bloße Anwesenheit ausstrahlte.
    Er ging langsam auf uns zu. Sofort schoben sich Marissa und der Grauhaarige vor mich, während Josh mich weiterhin festhielt. Auch die anderen waren bereit, jederzeit auf Trick loszugehen. Doch er wirkte kein bisschen angriffslustig.
    »L asst sie gehen und ich stelle mich euch freiwillig zur Verfügung«, sagte er.
    »T u das nicht, Sohn!«
    Ohne den Blick von dem Grauhaarigen zu nehmen, sagte er: »E s ist das einzig Richtige, Dad. Die Tore sind eine Gefahr– sie werden es immer sein.«
    Als er näher kam, wurde mir bewusst, dass er wirklich kleiner war. Kaum größer als ich selbst. Einen Wimpernschlag später entdeckte ich das kleine Wesen, das auf seiner Schulter stand und sich wie ein Seemann auf dem Ausguck umsah. Drizzle.
    Cale, Gott sei Dank.
    Der Grauhaarige musterte ihn von oben bis unten. Unwillkürlich hielt ich den Atem an. Würde er bemerken, dass er einen Gestaltwandler vor sich hatte? Schließlich heftete sich sein Blick auf Tricks– Cales– Augen. »D u willst das wirklich tun, Torwächter?«
    Cale nickte. Meine Güte, er wirkte so echt. Wäre die Größe nicht gewesen, hätte ich ihn wirklich für Trick gehalten.
    »D ann können wir es uns wohl sparen, auf den Mondaufgang zu warten.« Der Grauhaarige gab Josh ein Zeichen. »B ring das Mädchen wieder zu ihrem Vater.« Sein Blick kehrte zu Cale zurück. »W enn du deinen Teil erfüllt hast, lassen wir sie laufen.«
    »I ch will dein Ehrenwort.«
    »D as hast du.«
    Josh brachte mich zu Dad und übergab mich in die Obhut von Supermarkt, der mich neben Dad an die Wand stieß, selbst aber zusammen mit Mick einen Meter von uns entfernt stehen blieb, seine Aufmerksamkeit zwischen uns und seinen Kumpanen aufgeteilt. Drizzle war von Cales Schulter geklettert und rannte so schnell auf mich zu, wie ich ihn noch nie hatte laufen sehen. Mit einem Satz sprang er an meinem Bein hoch, krallte sich an meiner Jeans fest und krabbelte weiter nach oben, bis er schließlich auf meine hinter dem Rücken gefesselten Arme kletterte.
    »H ey, Babe«, begrüßte er mich.
    »I hr habt euch ganz schön viel Zeit gelassen«, flüsterte ich, in der Hoffnung, dass er mich trotz des Wasserfalls hörte.
    »E s wäre verflucht noch mal um einiges leichter gewesen, wenn jemand dem Kobold gesagt hätte, dass wir dem Geistwandler wieder vertrauen!«, schimpfte er. »D ann hätte er mir auch nicht stundenlang ein Ohr abkauen müssen, damit ich ihn aus der Zelle lasse.«
    Das war der Grund? Deshalb war Cale so spät gekommen? »D u hast ihn nicht rausgelassen?«
    »N atürlich nicht! Woher hätte ich denn ahnen sollen, dass du es dir inzwischen anders überlegt hast!«
    Darauf gab es nichts zu sagen. Natürlich wusste Drizzle nichts von Dereks Verrat oder davon, was geschehen war, nachdem wir das Cottage verlassen hatten. Der Kobold zog und zerrte an den Stricken, nicht ohne dabei herzhaft über die Knoten zu schimpfen. Ihn über diverse Behaarungen seiner Großmutter fluchen zu hören, allein zu wissen, dass er da war– und nicht nur er– erleichterte mich so sehr, dass es mir die Tränen in die Augen trieb.
    Unglücklicherweise entging das Dad nicht. Er streckte seine gefesselten Hände nach mir aus und berührte mich, trotz seines verletzten Arms, ungelenk an der Hand. Eine wortlose Geste des Trosts, mit der er beinahe Drizzle heruntergefegt hätte.
    »D ämlicher Torwächter! Lass das!«
    Sofort zog Dad seine Hand zurück. Er konnte den Kobold sehen! Natürlich, sein Torwächterblut machte es

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