Wesen der Nacht
Erreichbarkeit, und ich gab mir alle Mühe, die Unterhaltung auf unverfängliche Dinge zu lenken. Nach dem Essen verfrachtete ich schnell das Geschirr in die Spülmaschine, verschwand in mein Zimmer und machte mich an die restlichen Hausaufgaben. Zwischendurch versuchte ich immer wieder, Pepper zu erreichen, bekam aber nur ihre Mailbox zu hören. Da ich keine Ahnung hatte, wie ich das, was in mir vorging, in knappe, verständliche Sätze packen sollte, legte ich jedes Mal wieder auf, ohne eine Nachricht zu hinterlassen, und richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf meine Schulbücher.
Es tat mir gut, mich auf normale Dinge zu konzentrieren, auch wenn es sich dabei um Mathe und Physik handelte. Mit jeder verstreichenden Minute wurde ich ein wenig ruhiger, und bis ich die letzte Aufgabe gelöst hatte, war ich so müde, dass es an der Zeit war, mich fürs Bett fertig zu machen.
Im Badezimmer bemerkte ich, dass mein Armband verschwunden war. Dads Geburtstagsgeschenk! Panisch suchte ich danach, drehte meine Klamotten um, leerte den Inhalt meiner Tasche aufs Bett und durchsuchte alles. Selbst auf der Treppe, unten im Hausflur und vor der Tür sah ich nach. Ohne Erfolg. Traurig und mit leeren Händen kehrte ich schließlich in mein Zimmer zurück. Undeutlich erinnerte ich mich an das Klirren des Armbandes, kurz bevor der Kerl mich gefesselt hatte. Womöglich war es gerissen und lag noch irgendwo da draußen. Am liebsten wäre ich sofort losgelaufen, um nachzusehen, aber die Vorstellung, nach Einbruch der Dunkelheit noch einmal an den Ort des Überfalls zurückzukehren, hielt mich davon ab. So schwer es mir fiel, es würde bis morgen warten müssen.
Nach einer heißen Dusche kroch ich schließlich ins Bett und knipste erschöpft das Licht aus. Den Blick auf die dunkle Zimmerdecke gerichtet, lag ich da und lauschte auf das Rauschen der Bäume im Wind, das durch das offene Fenster an mein Ohr drang. Zum ersten Mal seit Stunden kam ich langsam zur Ruhe, spürte, wie die Müdigkeit mich mit sich nahm und einen Gedanken nach dem anderen auslöschte. Erschöpft schloss ich die Augen, als eine dunkle Stimme erklang.
Hallo, Prinzessin.
4
Die Worte waren noch nicht völlig verklungen, da sprang ich auch schon aus dem Bett und schlug so heftig auf den Schalter der Nachttischlampe, dass sie umkippte. Das Licht ging trotzdem an. Es breitete sich in einem hellen Kreis in meinem Zimmer aus und vertrieb die Schatten in die Ecken.
Niemand war zu sehen.
Diese Stimme.
Nein! Nein! Nein!
Das konnte nicht sein!
Es durfte nicht sein!
Panisch schnappte ich mir den Hockeyschläger, der neben meiner Sporttasche hinter der Tür stand, und stocherte wild damit unterm Bett. Nichts. Den Schläger wie einen Knüppel erhoben, riss ich die Schranktür auf. Eine Bewegung im Inneren des Schrankes ließ mich meinen improvisierten Prügel fester packen. Es waren aber nur meine Klamotten auf ihren Kleiderbügeln, die leicht im Luftzug schwankten. Mit dem Schläger schob ich die Blusen und Röcke auseinander und stieß ihn ein paarmal bis hinten an die Wand. Sobald ich mir sicher war, dass sich im Schrank nichts befand, was dort nicht hingehörte, schloss ich ihn wieder. Ich drehte mich herum und suchte mein Zimmer mit Blicken ab, ohne etwas Verdächtiges zu entdecken. Meine Augen blieben an der Tür zum Badezimmer hängen. Der Eindringling musste dort drin sein. Nur so hätte er schnell verschwinden können, ohne auf sich aufmerksam zu machen, denn im Gegensatz zu der Tür, die auf den Gang hinausführte, quietschte die Badezimmertür nicht bei jeder Bewegung wie ein geprügelter Hund.
Meine Finger zitterten. Ich packte den Schläger fester, überzeugt davon, im Bad auf jemanden zu stoßen. Verflucht, ich sollte Mom rufen. Aber wenn niemand im Bad war… Ich wusste genau, was sie sagen würde.
Zitternd löste ich eine Hand von meinem Hockeyschläger und streckte sie nach der Badezimmertür aus. Mit einem Ruck drehte ich den Knauf herum und stieß sie auf. Sofort packte ich den Schläger wieder mit beiden Händen und wartete neben der Tür darauf, dass jemand aus dem dunklen Bad in mein Zimmer stürmen würde. Eine gute Minute verging, ohne dass etwas geschah.
Den Schläger noch immer in den Händen, trat ich in den Türrahmen und knipste das Licht an. Das Badezimmer war leer. Weder hinter der Tür noch in der Duschkabine verbarg sich jemand. Ich war nicht sonderlich überrascht. Wenn ich ehrlich war, hielt ich es selbst für unwahrscheinlich, dass
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