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Wesen der Nacht

Wesen der Nacht

Titel: Wesen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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weg einstellen wird, wenn sie den Job will.«
    Madame Veritas war die Besitzerin des Hexenkessel, eine reichlich exzentrische Wahrsagerin, die am liebsten in schrill-bunten Klamotten herumlief und darauf bestand, dass das »M adame« nicht englisch, sondern französisch ausgesprochen wurde.
    »D ann hast du Riley wirklich einen Job vermittelt und sie hat dir im Gegenzug«, ich wedelte mit dem Attest, »d as da gegeben?«
    »G uter Deal, oder? Du kannst dich zu deinem Jenseitsschätzchen schleichen und ich muss künftig nicht mehr so viel schuften, weil wir wieder mehr Leute im Laden haben.«
    Ich sparte es mir, Pepper zu sagen, dass Cale nicht mein Schätzchen war. Sie würde meinen Widerspruch sowieso ignorieren. Mein Gott, ich würde Cale sehen. Nicht nur mit ihm sprechen, sondern ihm zum ersten Mal von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen! Nur, dass ich ihn dafür erst einmal finden musste. Er hatte gesagt, dass er keine Ahnung hatte, wo die Kiste abgestellt war, doch das änderte nichts an meiner Zuversicht. Wenn ich erst dort war, würde ich ihn auch finden. Und dann konnten wir uns zusammen auf die Suche nach Dad und Trick machen, sofern die nicht längst wieder aufgetaucht waren. Alles würde gut werden, und Cale und ich–
    »N atürlich kannst du heute nicht in die Schule«, riss Pepper mich aus meinem Tagtraum. »I mmerhin steht in diesem Wisch, dass du ansteckend bist.«
    »U nd was mache ich dann den ganzen Tag?«
    Pepper zog eine Augenbraue in die Höhe. »E in Zugticket kaufen, zum Beispiel? Und dir überlegen, was du tun willst, wenn du erst einmal dort bist?«

17
    Ich überließ Pepper mein Attest, damit sie es für mich abgeben konnte. Wir würden uns erst in zwei Wochen wiedersehen, wenn sie mit der Klasse aus Edinburgh zurückkam. Es war das erste Mal, dass wir länger als ein paar Tage voneinander getrennt sein würden. Ich versprach ihr, anzurufen, sobald ich konnte, und über alles haarklein zu berichten.
    »S chnapp dir dein Jenseitsschätzchen«, flüsterte sie in mein Ohr, als sie mich zum dritten Mal zum Abschied umarmte. »U nd vergiss nicht, ihn mir vorzustellen oder wenigstens ein paar Fotos von ihm mitzubringen. Sieh also zu, dass dein Handy immer schön aufgeladen ist, damit du viele Schnappschüsse machen kannst.«
    Ich löste mich aus ihrer Umarmung. »I ch hoffe, du hast nicht bereits meine Hochzeit arrangiert, bis ich zurückkomme.«
    Pepper lachte. »A usschließen würde ich das nicht.«
    Erst nach zwei weiteren Umarmungen trennten wir uns endgültig. Der Unterricht hatte bereits angefangen und Pepper würde Ärger bekommen, weil sie so spät dran war, doch sie meinte nur, dass sie eine Ausrede hätte und wedelte einmal mehr mit dem Attest vor meiner Nase. Ich ging zurück zur U-Bahn, fuhr nach Hause, um mein Sparschwein zu plündern, und machte mich dann auf den Weg zur Euston Station, um mir eine Fahrkarte zu kaufen.
    Nachdem ich so viele Tage hatte verstreichen lassen, bekam ich es jetzt plötzlich mit der Angst zu tun, dass Cale womöglich weniger Zeit blieb, als ich dachte, und ich zu spät kommen könnte. Aufgeregt fragte ich den Mann am Ticketschalter nach der schnellstmöglichen Verbindung. Die einzig sinnvolle Wahl, wenn ich nicht einen weiteren kostbaren Tag verlieren wollte, war der Caledonian Sleeper– ausgerechnet. Das war dieselbe Linie, mit der auch meine Klasse fahren würde. Nach ein paar weiteren Nachfragen und einem Blick auf den Fahrplan stellte sich jedoch heraus, dass es sich glücklicherweise um zwei unterschiedliche Züge handelte und mein Zug– mit dem Endziel Inverness und einer völlig anderen Reiseroute– zwei Stunden früher abfuhr als der meiner Mitschüler. Ich blätterte siebzig Pfund für die Fahrkarte nach Inverness hin, wo ich umsteigen musste, und dann noch einmal knapp zwanzig für die restliche Strecke.
    Da Mom angekündigt hatte, nach der Redaktionssitzung wieder nach Hause zu kommen, konnte ich mich unmöglich jetzt schon dort blicken lassen. Die verbleibende Zeit bis Schulschluss schlug ich im Edgington’s tot, trank Kakao, bis mir fast schlecht wurde, und blätterte in den ausliegenden Zeitungen. Ich kam ein bisschen früher zu Hause an als an einem gewöhnlichen Schultag, was Mom natürlich nicht entging. »I st die letzte Stunde ausgefallen?«
    »S ie haben uns überpünktlich gehen lassen, damit wir heute Abend auch alle rechtzeitig am Bahnhof aufkreuzen«, behauptete ich. »K ann ich deine Reisetasche haben?« Ich war noch nie

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