Westfalenbraeu - Ostwestfalen-Krimi
einen Verdacht?«, rief Sylvia Meyer zu Oldinghaus aufgeregt über den Tisch.
»Psst! Es muss doch nicht jeder mitbekommen, was wir wissen.« Heinrich warf seiner Frau einen strengen Blick zu.
»Warum nehmt ihr denn nicht einfach Jans Hilfe an?«, mischte sich Isabel ein. »Er hat doch eben gesagt, dass er weiß, wer der Mörder ist.«
»Weil er schon immer ein Besserwisser war. Deshalb ist er ja auch zur Polizei gegangen, anstatt …«
»Hör auf, Heinrich! Nicht schon wieder dieses Thema!« Jetzt war es Jans Mutter, die unsichtbare Giftpfeile über den Tisch schickte.
»Ja, schon gut«, gab Heinrich klein bei. »Wir kommen auch selbst drauf, wer es war.«
Einige Minuten vergingen, dann nahm Jan einen Kugelschreiber in die Hand, schrieb den Namen des Mörders und den wahrscheinlichen Tathergang auf und schob das Blatt Papier seinem Vater rüber. »Nimm den! Euer Tipp ist falsch.«
Eine der Mägde erschien hinter Heinrich, um die Zettel einzusammeln. Widerwillig schnappte er sich Jans Zettel, setzte seinen eigenen Namen darunter und warf ihn in eine Art Klingelbeutel, den die Magd in der Hand hielt.
Nach dem Dessert – standesgemäß gab es Arme Ritter – blickte Jan im Minutentakt auf seine Armbanduhr. Der Tag war lang gewesen, er sehnte sich nach seinem Bett. Doch es stand noch das große Finale aus. Wer hatte Richard denn nun tatsächlich umgebracht?
Natürlich war es Luise selbst gewesen, war sich Jan sicher. Sie hatte Richard das Gift in sein Weinglas gegeben, bevor sie dem Volke zugeprostet hatten. Ihre Reaktion auf den Tod ihres Beinahe-Ehemanns war viel zu aufgesetzt gewesen. Und dann war ihm noch ein anderes Detail an ihr aufgefallen, das ihn in seiner Annahme bestärkte. Aus dem Augenwinkel hatte er beobachtet, dass sie ihrem Vater etwas in die Westentasche gesteckt hatte. Ein Beweismittel, wahrscheinlich die Dose mit dem Gift. Einzig das Motiv wollte ihm noch nicht einleuchten.
Plötzlich schweiften seine Gedanken ab. Die vage Parallele zwischen der albernen Aufführung und seinen Ermittlungen beunruhigte ihn. Luise war eine Gattenmörderin – sollte er Dagmar Winkelmann noch stärker in den Kreis der Verdächtigen einbeziehen? Konnte es sein, dass sie tatsächlich für den Tod ihres Mannes verantwortlich war? Doch auch hier fehlte ihm die Begründung. Welchen Grund hätte sie gehabt, Bernhard loszuwerden?
Jan überlegte, ob er der Einzige war, der in Luise die Täterin sah. Hatte er als Kriminalpolizist womöglich einen gänzlich anderen Blick auf die Situation und das Handeln der Menschen?
»Die richtige Antwort lautet ›Luise‹«, rief Otto und warf seiner Tochter einen gespielt entrüsteten Blick zu. »Meine Tochter! Sie hat Richard vergiftet.« Er rang um Fassung. »Und alles nur, weil sie ein Verhältnis mit Frederik hatte, Richards jüngstem Bruder. Sie wollte verhindern, dass sie den Falschen heiratet«, erklärte er weiter. »Vielen Dank für Ihre Hilfe, verehrte Gäste, insbesondere danke ich Herrn Heinrich Meyer zu Oldinghaus, der mir mit seinem Hinweis die Augen geöffnet hat.«
Sylvia stieß einen Freudenschrei aus und hielt sich augenblicklich die Hand vor den Mund. »Wir haben noch nie etwas gewonnen!«
»Als Belohnung laden wir Sie zu einem unserer nächsten Abende ins Schloss Corvey nach Höxter ein. Vielen Dank für Ihren Besuch! Sie waren ein tolles Publikum!« Alle Darsteller kamen auf die Bühne und bedankten sich unter tosendem Beifall.
Nach minutenlangem Geklatsche und gefühlten fünfzig Verbeugungen hatte Jan endgültig genug. Er nickte seinen Eltern zu und verließ den Saal.
Die abgekühlte Abendluft wirkte belebend; erst jetzt spürte er, dass ihm der Schweiß den Nacken entlangrann. Sein Blick fiel auf die von großen Scheinwerfern beleuchtete Burg, die hoch oben über der Stadt thronte.
Er musste erneut an die skurrile Krimiaufführung denken. Die Braut hatte ein Verhältnis mit dem Bruder ihres Bräutigams gehabt, woraufhin sie sich nicht anders zu helfen gewusst hatte, als diesen zu vergiften. Wie konnten sich die Zuschauer nur für solche Storys begeistern?
»War es sehr schlimm für dich?«
Jan fuhr herum und blickte seiner Schwester ins Gesicht. Offenbar brauchte auch sie frische Luft.
»Schlimmer«, antwortete er knapp.
»Rauchen?« Sie hielt ihm eine Schachtel rote Gauloises hin.
Wortlos zog er eine Kippe heraus und zündete sie an der Flamme des Feuerzeugs an, das Isabel ihm reichte. Jan war froh, es endlich geschafft zu haben, gelegentlich zu
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