Westfalenbraeu - Ostwestfalen-Krimi
grandiose Schauspielerin war oder ob sie wirklich um ihren toten Ehemann weinte.
»Wir würden jetzt gerne mit Ihrem Schwiegervater und anschließend mit Ihrer Tochter sprechen«, kam Jan zum Ende des Gesprächs. »Haben Sie vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben.« Er und Bettina standen aus den Sesseln auf.
»Ich bringe Sie zu ihm«, sagte Dagmar Winkelmann erstaunlich bereitwillig. »Unser Hausmädchen ist noch nicht da, sie kommt heute etwas später.«
Claus Winkelmann saß allein am Kopfende des langen Tischs, genau dort, wo er auch das letzte Mal gesessen hatte. Hastig ließ er gerade den Rest eines Croissants in seinem Mund verschwinden. Auch er war ganz in Schwarz gekleidet; unter dem maßgeschneiderten Anzug trug er einen eng anliegenden Rollkragenpullover. Mit dem eisgrauen Dreitagebart erinnerte er Jan in diesem Moment an den späten Sean Connery.
»Um es gleich zu sagen, ich bin nicht gerade begeistert davon, dass Sie erneut hier herumschnüffeln. Meine Enkelin hat mir davon berichtet, dass gestern ein Kollege von Ihnen hier war. Kreuzen Sie hier jetzt etwa täglich auf?«
»Moment, Moment!«, antwortete Jan. »Gestern? Wer soll denn das gewesen sein?«
»Das sollten Sie doch besser wissen. Keine Ahnung, wie sein Name war. Ich verbitte mir jedenfalls, dass jemand von Ihnen Carolin befragt, wenn niemand anders im Hause ist.«
Jan tauschte einen raschen Blick mit Bettina. Wen konnte Winkelmann gemeint haben? Ihm war nicht bekannt, dass gestern jemand aus dem Team hier gewesen war. Überhaupt waren Bettina und er die Einzigen, die im Todesfall direkt bei den Winkelmanns ermittelten.
Bettina sah ihn ratlos an. Offenbar wusste auch sie nicht, von wem Winkelmann sprach.
»Wir klären das«, sagte Jan. »Lassen Sie uns auf etwas anderes zu sprechen kommen. Ich würde es Ihnen gerne ersparen, aber leider muss es sein.«
»Machen Sie bitte schnell«, forderte ihn Claus Winkelmann auf.
»Es geht um das Privatleben Ihres Sohnes. Wir haben eben bereits mit Ihrer Schwiegertochter darüber gesprochen.« Jan berichtete von den Erkenntnissen der Rechtsmedizin und der Absprache zwischen Bernhard und Dagmar Winkelmann, eine mehr oder minder offene Beziehung zu führen.
»Haben Sie irgendeine Ahnung, was Ihr Sohn in der Nacht zu Montag gemacht hat, nachdem er das Restaurant in Bielefeld verlassen hat?«
»Hätte ich die, säßen wir hier wohl nicht, oder?«, reagierte Winkelmann gereizt.
»Vielleicht wissen Sie aber, ob Bernhard eine feste Geliebte hatte?«, insistierte Jan. »Es gibt allen Grund zu der Annahme, dass er regelmäßig auswärts verkehrte.« Mit dem Wort »verkehrte« wollte Jan bewusst ein wenig provozieren, um Claus Winkelmann aus der Reserve zu locken. Doch der alte Mann sah ihn mit stoischer Ruhe an.
»Darüber habe ich mit meinem Sohn nie gesprochen«, antwortete er kühl. »Haben Sie noch weitere Fragen? Andernfalls würde ich mich freuen, wenn Sie mich in Ruhe zu Ende frühstücken lassen würden.«
»Tun Sie sich keinen Zwang an, wir haben nämlich in der Tat noch ein paar Fragen.« Jan sah Winkelmann aufmerksam an und versuchte dessen Mimik zu deuten. »Bevor ich noch einmal auf die Brauerei zu sprechen komme, würde ich mich gerne mit Ihnen über Ihre beiden anderen Kinder unterhalten. Ich habe das Gefühl, Ihr Verhältnis ist nicht sonderlich innig.«
»Haben Sie das? Wie kommen Sie denn zu diesem Schluss?«
»Stimmt es, dass Frank-Walter nicht Ihr leiblicher Sohn ist?«, kam Jan sofort zur Sache.
»Sie wissen es also schon?«, entgegnete Winkelmann wenig überrascht. »Dann dürfte Ihnen ja auch klar sein, weshalb wir nicht die gleiche Beziehung zueinander haben wie Bernhard und ich.«
»Gab es denn zwischen Bernhard und Frank-Walter Differenzen? Neid oder Ähnliches?«
»Warum fragen Sie?«
»Antworten Sie bitte einfach auf meine Fragen.«
»Bernhard hat sich, so gut es ging, um seinen Bruder gekümmert. Alle versuchen, mit Frank-Walter so normal wie möglich umzugehen. Aber natürlich ist er ein Außenseiter. Ich kann nicht so tun, als wäre er mein Fleisch und Blut. Seine Krankheit hat ihr Übriges dazu beigetragen.«
Jan spürte, dass es in Bettina brodelte. Claus Winkelmanns Meinung über seinen Stiefsohn ließ sie nicht kalt. Trotzdem hoffte er, dass sie sich diesmal in Zurückhaltung übte.
»Wer ist der Vater von Frank-Walter?«, setzte Jan nach.
»Es war eine kurze Affäre von Helene.« Winkelmann schluckte schwer. »Das reicht jetzt aber wirklich, ich
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