Westwind aus Kasachstan
Kopfsprung war gekonnter. Damit hatte er jedesmal die Mädchen von Ibiza begeistert. Aber noch ein Körper klatschte ins Wasser. Der Skipper war ihnen nachgesprungen, ohne seine Hose auszuziehen. Mit kräftigen Zügen schwamm er auf Köllner zu und starrte ihn wieder an.
Der Mann gefällt mir nicht, dachte Köllner. Ich weiß nicht, warum, aber irgendwie ist er mir unheimlich.
Denissow war ein hervorragender Schwimmer. Er hatte sich schon fast zwanzig Meter von Köllner entfernt, aber er drehte sich nicht nach ihm um, um zu sehen, wo er bliebe. Er tauchte den Kopf beim Schwimmen unter und stieß sich mit kräftigen Arm- und Beinbewegungen vorwärts. Es sah wie ein Wettschwimmen aus … oder wie eine Flucht.
Der bullige Skipper hatte Köllner erreicht. Ohne Vorwarnung schnellte er plötzlich wie ein Delphin aus dem Wasser und warf sich mit seinem ganzen Körper auf Köllner. Der ging sofort unter, wollte strampelnd wieder auftauchen, aber der Skipper war ihm gefolgt und drückte mit beiden Händen Köllners Kopf unter Wasser.
Köllner schlug um sich. Panik und Todesangst packten ihn, er bekam das linke Bein des Skippers, das gegen ihn trat, zu fassen und biß hinein, aber die kräftigen Hände preßten ihn weiter unter Wasser, ein Druck, dem er nichts entgegenzusetzen hatte.
Noch einmal bäumte sich Köllners Körper auf, dann erschlaffte er, die Lungen füllten sich mit Wasser. Er verlor die Besinnung und ertrank. Noch eine ganze Weile hielt der Mörder Köllner unter Wasser, um ganz sicher zu sein. Dann packte er den schlaffen Körper gekonnt wie ein Rettungsschwimmer und zog ihn an die Oberfläche. Denissow, dreißig Meter entfernt, mit dem Rücken zu dem grausamen Geschehen, trat Wasser auf der Stelle.
»Es ist erledigt, Towarischtsch!« schrie der Skipper zu ihm hinüber. »Ich bringe ihn an Bord.«
Denissow gab keine Antwort, und er schwamm auch noch nicht zurück. Er dachte an die letzten Worte Köllners: »Ich beginne, Sie sympathisch zu finden. Sie sind in einer sanguinischen Phase.« Da hatte er noch zehn Minuten zu leben.
Er ist nicht durch meine Hand umgekommen, dachte Denissow weiter. Und wie wirklich alles geschehen ist, wird nie jemand erfahren. Der einzige Zeuge ist Igor, der die Schmutzarbeit getan hat. Und Igor wird schweigen.
Als er zurückschwamm und die Badeleiter erreichte, hatte Igor den Toten schon an Bord gezogen. Köllner lag auf dem Rücken, mit hervorquellenden Augen und einem wie zu einem Schrei aufgerissenen Mund.
»Dreh ihn um, mit dem Gesicht nach unten!« knirschte Denissow.
»Habe ich das nicht gut gemacht, Towarischtsch?« Igors Stimme bettelte um Anerkennung. Er war Denissow treu ergeben wie ein Hund, den man tritt und der doch immer wiederkommt.
Denissow spürte Übelkeit in sich aufsteigen. Er lehnte sich gegen den Salonaufbau und atmete ein paarmal tief durch. Der Wind kam ihm auf einmal kalt vor, frierend schlug er die Arme um sich. In seinen Schläfen pochte hektisch das Blut.
»Hol die Tasche!« befahl er heiser.
»Sofort, Towarischtsch.«
Igor rannte davon. Nach kurzer Zeit kam er mit der großen Segeltuchtasche wieder, in der Köllner Verpflegung und Getränke vermutet hatte. Als Denissow den Reißverschluß aufzog, kamen große, eckige Steine zum Vorschein. Granitsteine. Sie waren mit Nylonstricken bereits miteinander verbunden, ein Gewicht, das Köllner auf den Meeresboden ziehen und dort festhalten würde.
Denissow rührte sich nicht von der Wand. Er sah zu, wie Igor die Granitsteine an Köllners Beinen und Leib anbrachte und ihn dann zur Bordwand zog.
»Habe ich es gut gemacht, Towarischtsch?« bettelte Igor wieder.
»Ja.« Denissow schluckte krampfhaft. »Ich … ich bin zufrieden mit dir, Igor. Jetzt wirf ihn hinein.«
Igor sah Denissow glücklich an, hob die Leiche über Bord und sah ihr nach, wie sie schnell versank.
»Soll ich zurückfahren, Towarischtsch?« fragte er.
»Ja. Fahr zurück.«
Denissow ging unter Deck, legte sich in der Eignerkajüte auf das runde Bett und schloß die Augen. Man wird ihn nie finden, dachte er. Die Steine halten ihn am Meeresgrund, auch wenn er verwest. Aber er wird nicht verwesen. Das kalte Wasser da unten wird ihn konservieren wie in einem Tiefkühlschrank. Und kommt er doch von den Steinen los und irgendwie hoch, wird jede Obduktion feststellen, daß er ertrunken ist. Keine Zeichen von Gewaltanwendung, die Lungen voller Wasser, der Befund wird klar sein. Wieviel Menschen ertrinken jedes Jahr in der See! Und
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