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Westwind aus Kasachstan

Westwind aus Kasachstan

Titel: Westwind aus Kasachstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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tötete und sezierte sie und fand sie radiumverseucht. Wochenlang zogen sich darauf die Untersuchungen einer neu gebildeten Katastrophen-Kommission hin: Wie konnte eine Maus in die unterirdischen Räume kommen und vordringen bis zu Schleuse VI/23? Man löste dieses Rätsel nie. Es kam sogar der Verdacht auf, daß es ein geheimer Testfall gewesen sein könnte, um die Wirksamkeit der gesamten Sicherheitsanlage zu überprüfen. Eine Bemerkung von General Schemskow, dem langjährigen Kommandierenden des Bewachungsregiments, deutete darauf hin: »Selbst wenn es nur eine Maus war … auch eine Maus darf nicht eindringen!«
    Das Leben in der unbekannten Stadt Kirenskija unterschied sich nicht vom Treiben in einer normalen Kleinstadt. Nur eine große Ausnahme war allgegenwärtig: Es war eine Stadt ohne Frauen. Nur Männer lebten hier. Fotos von Frauen oder Abbildungen in Zeitungen und Zeitschriften waren alles, was ihnen übrigblieb. Nur alle drei Monate gab es Urlaub für vier Tage, dann kehrte man in die völlige Isolation zurück.
    Kirenskija – das war die auf dem Zeichenbrett entworfene, aus Fertigteilen gebaute langweilige Stadt, eine Brutstätte von Aggressionen, die sich meistens am Abend entluden. Schlägereien zwischen betrunkenen Arbeitern und Soldaten machten aus General Schemskow – er wog gute 106 Kilogramm – einen brüllenden Fleischvulkan.
    »Wie kommt der Alkohol nach Kirenskija?« schrie er seine wie gelähmt vor ihm stehenden Offiziere an. »Wo sind hier die dunklen Kanäle? Ein Loch ist in der Abwehr, ein Loch, das alle Sicherheitsmaßnahmen lächerlich macht! Und Sie, die Genossen Offiziere, stehen jetzt herum und glotzen wie die Frösche. Der Wodka kann nur mit den Transportflugzeugen hereingeschmuggelt werden. Einen anderen Weg gibt es nicht!«
    »Jedes landende Flugzeug wird sofort durchsucht.« Einer der Offiziere wagte es, General Schemskow zu unterbrechen. »Nie ist etwas gefunden worden.«
    »Natürlich nicht! Diese Piloten sind die durchtriebensten Verbrecher. Ihre Tricks fallen Ihnen, meine Genossen Offiziere, nicht im Traum ein. Die Laderäume haben Sie durchsuchen lassen? Wer transportiert verbotenen Wodka in einem Laderaum? Um die Halunken zu überprüfen, müßten wir die Flügel demontieren, die Verkleidungen abreißen, das ganze Flugzeug zerlegen. Es gibt Hunderte Verstecke in so einem Blechvogel! Und hat jemand die Ladung selbst kontrolliert? Wenn auf einer Kiste steht ›Butter‹, ist dann auch wirklich Butter drin? Oder Marmeladeneimer! In der Mitte eine Flasche, Marmelade drüber – und unsichtbar ist sie. So einfach ist das!«
    »Genosse General, wir können doch nicht jede Kiste, jeden Karton öffnen, bevor sie zu den Lagern kommen.«
    »Nein! Aber man kann die Magazinverwalter überwachen. Vom Magazin aus müssen die Wodkaflaschen zu den Säufern gebracht werden. Von allein spazieren sie nicht in die Häuser … da sind immer zwei Beine dran!«
    »Um die ganze Stadt zu überwachen, haben wir nicht genug Leute.«
    »Es genügt mir ein Mann, der eine Flasche ins Haus trägt! Ich werde ihn so bestrafen, daß alle anderen ihren Wodka in den Bach schütten. Sie sind alle noch recht jung, Genossen, und im Geschichtsunterricht haben Sie wahrscheinlich geschlafen. Seit Jahrhunderten lebt ein Russe normal, wenn er weiß: Über mir ist eine starke Hand! Das weiß er heute nicht mehr. Die Perestroika hat ihm Freiheiten gegeben, mit denen er nicht umgehen kann. Jetzt steht er allein, er hat keinen Vater im Kreml mehr … ein Glück, daß es Michail Gorbatschow gibt, der ihnen sagt: Hier lang müßt ihr gehen, das allerdings allein. Im Augenblick irren sie noch herum.« General Schemskow sah seine erstarrten Offiziere unter zusammengezogenen, dichten Augenbrauen an. Wenn Schemskow so blickte, gab es keine Argumente mehr. Es war sinnlos, ihn überzeugen zu wollen. »Ich brauche einen Säufer mit der Flasche in der Hand und nicht im Magen. Das wird doch wohl nicht so schwer sein! Wann treffen die nächsten Versorgungsflieger ein?«
    »Morgen, Genosse General.«
    »Morgen abend steht einer der Halunken vor mir. Oder ich zeige Ihnen, was man früher unter Militärdienst verstanden hat. Bei der Seele meines Vaters: Wenn wir damals so schlapp gewesen wären wie die heutige Generation, hätten wir nie die deutschen Faschisten besiegt!«
    Betreten verließen die Offiziere den Versammlungsraum. Erst draußen auf dem Appellplatz sagte einer von ihnen: »Schemskow hat gut reden! Damals! Damals ging

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