Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Westwind aus Kasachstan

Westwind aus Kasachstan

Titel: Westwind aus Kasachstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
hast einen Bruder, den man umarmen könnte. Leider ist er ein Russe.«
    »Er kommt mit uns nach Deutschland, Wolferl.«
    »Ist das wahr?« Weberowsky riß die Augen auf. »Du hast über unser Gespräch nachgedacht?«
    »Nein. Eine Kugel hat mich überzeugt.«
    »Ja, so ist das, Erna.« Er wandte den Kopf wieder seiner Frau zu. »Da muß man erst fast ermordet werden. Wann fahren wir, Schwager?«
    »Sobald du wieder gehen kannst.«
    »Ich werde den Ärzten zeigen, was ein Weberowsky kann. Paßt auf, ich werde schneller auf den Beinen sein, als alle glauben.«
    »Das hoffen wir alle.« Erna drückte die Stirn gegen seinen Hals. Nicht weinen, befahl sie sich. Du darfst nicht weinen. Bleib stark. Aber ihr grauste vor dem Augenblick, in dem er die Wahrheit erfahren mußte. »Nächstes Jahr will Hermann heiraten, da mußt du wieder tanzen können.« Sie blickte hinauf zu Frantzenow, ein flehender, verzweifelter Blick. »Wolferl ist ein guter Tänzer. Nicht müde wird er. Bei jedem Tanz ist er dabei.«
    Es war zu Ende mit ihrer Beherrschung. Sie sprang auf, lief hinter die Trennwand und drückte beide Hände auf ihren Mund, um das Schluchzen zu unterdrücken. Weberowsky wurde unruhig.
    »Was hat sie?« fragte er. Seine Stimme war leiser geworden, er war noch zu schwach, um länger sprechen zu können.
    »Erna hat einen Schnupfen und will dich nicht anstecken«, antwortete Frantzenow geistesgegenwärtig.
    »Weiß das der Arzt?«
    »Natürlich nicht. Er hätte uns sonst nicht zu dir gelassen. Infektionsgefahr.«
    »Ihr habt ja gar keine sterile Kleidung an. Gestern sah Erna aus wie die Arbeiterinnen in der Wurstfabrik von Atbasar.« Er gähnte und schloß dann die Augen. »Wo sind Hermann, Eva, Gottlieb, der Pfarrer und Kiwrin?« Er hielt die Augen geschlossen und spürte, wie er langsam wegglitt. Er stemmte sich dagegen und verlor dadurch nur noch mehr Kraft.
    Die Erschöpfung war stärker als sein Wille. Sein Kopf fiel zur Seite. Besorgt blickte Frantzenow auf die Monitore an der Wand. Erna kam um die Trennwand herum.
    »Schläft er?« flüsterte sie.
    »Ja, es hat ihn doch sehr angestrengt. Er hat viel zuviel gesprochen. Aber er hat das Schlimmste überstanden. Es kann jetzt nur aufwärtsgehen.«
    Erna verabschiedete sich von ihrem Mann mit einem Kuß auf die Lippen. Er spürte es nicht, die Erschöpfung hatte ihn in die Tiefe gezogen.
    Dr. Anissimow wartete auf dem Flur und sah sie mit verkniffenem Mund an, als sie aus der Station kamen. Drei Schwestern und Dr. Koslow liefen an ihnen vorbei. Anissimow hatte sie bis jetzt zurückgehalten. »Sie gehen nicht hinein!« hatte er befohlen. »Wenn Weberowsky kollabiert, sind Sie Zeugen, daß es die Schuld dieser beiden ist.«
    »Wie geht es dem Patienten?« fragte er jetzt.
    »Er schläft«, antwortete Erna, bevor Frantzenow sie daran hindern konnte.
    Wie erwartet, hob Anissimow drohend die Stimme: »So, er schläft?! Schläft ohne Injektion, schläft am Vormittag, wo er eigentlich wach sein sollte! Ist das normal? Sie haben ihn an den Rand des Grabes gebracht. Jetzt müssen wir ihn wieder zurückholen. Er schläft nicht, er ist besinnungslos geworden!«
    Aus der Station kam Dr. Koslow. Wie ein Geier stürzte Anissimow auf ihn zu.
    »Was ist?« rief er. »Komplikationen?«
    »Er schläft tief und fest. Das Herz arbeitet kräftiger, der Blutdruck ist stabil. Ich hätte nicht gedacht …«
    Dr. Anissimow gab keinen Laut von sich. Er drehte sich um, stieß die Glastür auf und verließ grußlos die Intensivstation. Dr. Koslow wartete, bis sie wieder zugeschwungen war.
    »Ihr Mann hat sich wesentlich zum Guten verändert«, sagte er irritiert. »Was haben Sie mit ihm gemacht?«
    »Ich habe ihn geküßt«, antwortete sie und lächelte wie verträumt. »Ich habe ihn nur geküßt.«
    Sie blieben eine Woche in Ust-Kamenogorsk und besuchten jeden Tag den immer lebendiger werdenden Weberowsky. Dr. Anissimow verhinderte die Besuche nicht mehr, aber er ließ sich auch nicht blicken, solange die Familie am Bett saß. Er stellte nur fest, ohne mit den anderen Ärzten darüber zu sprechen, das war unter seiner Würde, daß es Weberowsky von Tag zu Tag besser ging, daß die Schwächeanfälle nachließen und daß sein eingefallenes Gesicht wieder aufblühte. Auch die Augen bekamen ein neues Leben, sie nahmen wieder teil am Geschehen um ihn herum.
    Der Besuch von Pfarrer Heinrichinsky, der am fünften Tag zu Weberowsky durfte – so hatte es Erna bestimmt –, heiterte ihn noch mehr auf.
    »Peter

Weitere Kostenlose Bücher