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Westwind aus Kasachstan

Westwind aus Kasachstan

Titel: Westwind aus Kasachstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Kurt Köllner hat nur eine lose Beziehung zu ihr. Ein Brief zu Weihnachten, ein Brief zum Geburtstag. Das ist alles.«
    »Und dieser Atomforscher?«
    »Tot. Seit neun Jahren. Herzinfarkt. Ein Mann von uns hat in Moskau sein Grab besucht. Es gibt kein ›Familienunternehmen‹. Köllner hat allein gearbeitet. Wir wissen auch, wer sein Agentenführer ist. Ein Major des KGB, der unter dem Decknamen Ludwig auftritt. Das hat uns ein V-Mann berichtet. Wir haben Ludwig nie zu Gesicht bekommen. Aber den Fall Köllner können wir abschließen.«
    »Eine fleißige Arbeit, mein lieber Kallmeier.« Der Präsident klappte die Akte zu. Alles Weitere war Sache der Justiz. »Dann wollen wir mal den Laden dichtmachen. Ich unterrichte noch heute den Minister und die Staatsanwaltschaft. Hoffentlich hält Genschers Herz das durch …«
    Trotz der Dringlichkeit des Falles brauchten die Behörden fast 24 Stunden, um den Haftbefehl auszustellen. Als ein Staatsanwalt, zwei Kriminalbeamte des politischen Kommissariats und vier Polizisten die Tür zertrümmerten und Köllners Wohnung stürmten, um sechs Uhr früh, fanden sie nur ein benutztes Bett vor.
    Um zwei Uhr nachts hatte Ludwig seinen besten Mann aus dem Schlaf geklingelt und war mit ihm davongefahren. Es gab keine Spur. Köllner war verschwunden.
    Der durchlöcherte Bonner Käse war wieder wirksam geworden. Er hatte auch die Verhaftung ausgeschwitzt. Es war wie so oft: Ein Bonner Geheimnis wurde zum Vorteil des unsichtbaren Gegners.
    Trotz aller sofort eingeleiteter Fahndungen und trotz des Einsatzes von sonst gut orientierten V-Männern: Karl Köllner war unauffindbar untergetaucht.
    Sie war ein hübsches Mädchen, diese Iwetta Petrowna Jublonskaja. Ein rundes, fröhliches Gesicht, schlanke, lange Beine, einen kleinen, wohlgeformten Hintern und Brüste wie zwei große Äpfel. Hermann Wolfgangowitsch Weberowsky, der elegante Ingenieur, war unsagbar verliebt in sie.
    Er hatte Iwetta bei einer Kontrolle der Füllmaschinen in der Konservenfabrik ›Rote Sonne‹ kennengelernt. Sie war dort als Arbeiterin beschäftigt, in der Abteilung Marmeladenkocherei, und roch jeden Tag anders: Einmal nach Erdbeeren, einmal nach Äpfeln, einmal nach Birnen und – zur Erntezeit, wo das Obst für zwei Wochen warten mußte – nach Essiggurken und Salzlauge. Wenig angenehm war es zur Pilzzeit, da bekam sie den Geruch von Muff und Fäulnis nicht los, auch wenn sie abends heiß badete.
    Hermann störten diese Düfte nicht. »Ob du nach Gurken riechst und ich nach Dieselöl, es ist unser Beruf. Wenn wir verheiratet sind, wirst du nach Rosen duften.«
    Vor einem halben Jahr hatten sie sich offiziell verlobt, und schon hatte es Krach im Hause Weberowsky gegeben. Wolfgang Antonowitsch bestand darauf, die Verlobung nach guter, alter wolgadeutscher Tradition zu feiern, mit Hefekuchen und Schmalzkringeln, Volkstanz und Gesang und natürlich einem Kirchgang, auf daß Gottes Segen auf dem jungen Glück liegen möge.
    Und was hatte Iwetta gesagt? »Nein!« hatte sie gesagt. »Ich will kein deutsches Volksfest. Ich bin eine Russin!« Hermann hatte versucht, sie zu überzeugen, daß sie in eine deutschstämmige Familie einheiratete, daß es Tradition sei, so zu feiern, daß niemand ihr den russischen Stolz nehmen wolle, aber sie hatte immer geantwortet: »Ich liebe dich … ob du nun ein Deutscher bist oder ein Ewenke oder ein Jakute oder ein Kirgise … ich liebe dich und nicht, woher du kommst!« Und dabei blieb sie. Das Volksfest in Nowo Grodnow wurde abgesagt.
    »Welch eine Schwiegertochter bekomme ich?« hatte der alte Weberowsky gebrüllt. »Verachtet die Deutschen, aber heiratet meinen Sohn! Hermann, gibt es keine andere Frau auf der Welt als diese Iwetta?«
    »Für mich nicht!« hatte Hermann zurückgeschrien. »Gab es für dich eine andere Frau als unsere Mutter?«
    »Vergleich deine Mutter nicht mit dieser hochnäsigen Russin!«
    »Diese Russin wird einmal Weberowsky heißen und Kinder zur Welt bringen, die auch Weberowsky heißen und deine Enkel sind.«
    »Und ihr werdet sie wie Russen erziehen!«
    »Wir werden sie zu Menschen erziehen, die ohne Vorurteile sind! Vater, du lebst im Gestern. Jetzt haben wir eine andere Zeit.«
    Und so fand die Verlobung zwischen Iwetta und Hermann in aller Stille statt – nicht bei den Weberowskys, sondern in der Stolowaja der Marmeladenfabrik, und nur Erna, die Mutter, und Eva, die Schwester, waren gekommen. Wolfgang Antonowitsch blieb grollend zu Hause und hackte wieder

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