Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Westwind aus Kasachstan

Westwind aus Kasachstan

Titel: Westwind aus Kasachstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
habe bei der Kommandantur –«
    »Militärfahrzeuge.«
    »Vor dem Schwimmbad standen einige Autos.«
    »Sie gehören den Funktionären. Ausnahmen.«
    »Ist hier nirgendwo ein Wagen aufzutreiben?«
    »Ich weiß es nicht. Ich habe mich nie darum gekümmert. Ich brauchte keinen Wagen. Ich ging morgens in meine Labors und kam abends wieder heraus.«
    »Neun Jahre lang.«
    »Ja.«
    »Du Rindvieh!«
    »Danke. Aber ich vermißte nichts.«
    »Frauen?«
    »Auch nicht. Ich habe mich nie den anderen angeschlossen, die nach Ust-Kamenogorsk ins Bordell fuhren.«
    »Die hatten also Autos?«
    »Nein. Wenn ›Puff-Tag‹ war, standen vier Omnibusse bereit. Mir war das zu entwürdigend. Ich bin lieber hiergeblieben und habe Musik gehört. Ich hatte auch gar keine Bedürfnisse. Die leichte radioaktive Bestrahlung, die trotz aller Filter und Sicherheitsschleusen ständig vorhanden ist, macht auf die Dauer impotent.«
    »Auch das noch!« Weberowsky kam aus dem Bad und zog sich an. »Was muß eigentlich noch passieren, damit du die Nase voll hast?«
    »Ich kann es nicht erklären. Vielleicht dann, wenn ich Grund bekäme, Rußland zu hassen. Aber das ist unvorstellbar. Warum sollte ich Rußland jemals hassen? Es gibt mir keinen Anlaß.«
    Frantzenow stellte das Radio an. Marschmusik, ein Programm, das am meisten gespielt wurde. Selbst in den Straflagern, so erzählte man sich, spiele man den ganzen Tag Märsche, nur unterbrochen von propagandistischen Reden der Umerziehung.
    Sie wurden aufgeschreckt vom Klingeln an der Außentür. Frantzenow blickte auf die runde Wanduhr. »Um diese Zeit Besuch?«
    »Vielleicht kommt der Briefträger.«
    »Der kommt nicht vor drei Uhr nachmittags. Und erst seit drei Wochen, vorher gab es doch keine Post für Kirenskija. Wir existierten doch nicht.«
    Er ging zur Tür, schloß sie auf und öffnete sie.
    Sliwka stand draußen und wirkte fröhlich und voll Tatendrang.
    »Einen schönen guten Morgen«, sagte er. Er hob die Nase und schnüffelte. »Zum Frühstück gab es Spiegelei mit Speck.«
    »Kommen Sie herein, Boris Olegowitsch.« Frantzenow trat aus der Tür. »Ich habe Besuch bekommen.«
    »Besuch?« Sliwka gab sich erstaunt.
    »Mein Schwager aus dem Bezirk Atbasar. Aus Nowo Grodnow. Ich wollte ihn heute morgen bei der Verwaltung anmelden. Er will einige Tage bei mir bleiben.«
    »Ist das eine schöne Überraschung!« Sliwka brach in eine Art Beifall aus. »Welch eine Freude für Sie. Natürlich kann Ihr Schwager bleiben, so lang wie er will. Es ist ja alles anders geworden bei uns.«
    »Das dachte ich auch. Kommen Sie rein, Boris Olegowitsch.«
    Sliwka betrat die Wohnung und stand Weberowsky gegenüber. Vom ersten Blick an wußte er, daß er hier auf einen Gegner traf, der all seine Härte und seine Tricks herausfordern würde. Dieser stämmige Bauer mit dem Stierkopf hatte seinem Schwager voraus, daß er die Lage nicht intellektuell mit dem Skalpell sezierte, sondern mit dem Hammer des gesunden einfachen Menschenverstandes zerschlug. Das war gefährlicher und überzeugender.
    »Wolfgang Antonowitsch Weberowsky«, stellte Frantzenow seinen Schwager vor. »Boris Olegowitsch Sliwka vom …«, ein kurzes Zögern, »von der Stadtverwaltung.«
    Warum hat er nicht gesagt, vom KGB, wunderte sich Sliwka. Fürchtete er, daß Weberowsky stutzig würde bei einer solchen Bekanntschaft.
    »Wie gefällt Ihnen Kirenskija?« fragte er leichthin.
    »Scheußlich.«
    »Ihre Ehrlichkeit ist erfrischend in einer Umgebung, in der viel geheuchelt wird.«
    »Ich habe es nicht nötig, irgend jemandem Honig ums Maul zu schmieren.«
    »Was finden Sie an der Stadt so scheußlich, Wolfgang Antonowitsch?«
    »Zunächst, daß es sie überhaupt gibt.«
    »Hat Andrej Valentinowitsch Ihnen erzählt, welche Bedeutung sie noch vor ein paar Wochen hatte?«
    »Das ist die zweite Scheußlichkeit. Eine Stadt, die Vernichtung produziert.«
    »Amerika hat sie auch, zum Beispiel Los Alamos. Dort wurde die erste Atombombe entwickelt, die Hiroshima auslöschte und Nagasaki wegfegte.« Sliwka machte den ersten Schritt zum Angriff. Er wußte, daß er Frantzenow so beeindrucken würde. »Rußland hat noch keine Atombombe abgeworfen, noch keine Hunderttausende damit getötet. Da war Amerika führend. Rußland hat die Nuklearforschung bisher ausschließlich für friedliche Zwecke eingesetzt.«
    »Da hat Sliwka recht.« Frantzenow sah ihn fast dankbar an. »Nicht Rußland, sondern Amerika war es, das mit der Atomspaltung die Welt bedrohte. Skrupellos,

Weitere Kostenlose Bücher