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Westwind aus Kasachstan

Westwind aus Kasachstan

Titel: Westwind aus Kasachstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Wetzstein.«
    »Versuchen wir es.« Weberowsky freute sich. Er ahnte nicht die Verbindung zwischen Frantzenow und Sliwka, er dachte nur an einen schönen Tag an diesem blauen See mit dem Mischwald drum herum. »Wenn Sie mit der Karre fahren, Boris Olegowitsch, dann schaffen wir das auch.«
    Eine halbe Stunde später fuhren sie los. Frantzenow hatte noch so etwas wie einen Picknickkorb gepackt. Einen guten, alten, bäuerlichen Henkelkorb, in den er Brot, Wodka, Hartwurst, Marmelade, Mineralwasser, Dosen mit chinesischem Bier, ein Glas Birnenkompott und Gurken legte.
    »Da wird aber geschlemmt und gesoffen!« meinte Sliwka lustig. »Schade, daß ich nicht mitfahren kann. So eine richtige Herrenpartie habe ich lange nicht mehr gemacht. Und wenn ihr zu besoffen seid, um nach Hause zu fahren, es schadet nichts. Schlaft im Wald und bringt mir den Jeep morgen zurück. Übrigens –«, er hob die Hand und seine Stimme wurde geheimnisvoll. »Über den See gibt es ein altes kasachisches Volksmärchen. Sie kennen es nicht? Im Wald soll eine Fee wohnen und im See ein Wassermann. Und der Wassermann ist unsterblich verliebt in die schöne Fee, aber die Fee liebt den Sternenmann. Jede Nacht tritt sie aus dem Wald, sieht in den Himmel zu den Sternen und ruft mit ihrer süßen Stimme: ›Ich gehöre dir. Nur dir allein!‹ Das ärgert natürlich den Wassermann. Er kocht vor Eifersucht, und der See brodelt. Und jeder, der nachts am See ist, wird sein Feind, den er töten muß. Aber die Fee beschützt jeden und stellt sich vor ihn, denn sie ist unsterblich. Nur einmal gelang es dem Wassermann zu töten. Er zog sein Opfer mit sich hinab in die Tiefe. Es war ein Bär. Seitdem heißt der See bei den Kasachen auch ›Der schlummernde Bär‹. Wenn ihr also am See übernachtet, achtet auf die Fee und den Wassermann und bleibt im Schatten der Bäume.«
    Lachend brachen sie auf. Sliwka wünschte ihnen nochmals viel Spaß, und dann verließen sie Kirenskija, durchfuhren die jetzt nutzlos gewordenen drei Sperrgürtel und sahen in der Ferne, verschwommen im Sonnenglast, die graue Hügelkette.
    »Dort muß es sein«, rief Weberowsky, der den Jeep lenkte. Frantzenow hatte darauf verzichtet. »Ich bin jahrelang nicht mehr gefahren«, hatte er gesagt. »Ich werde die Bremse mit dem Gas verwechseln.« Weberowsky hatte, Sliwkas Rat folgend, den Wagen ausrollen lassen. Die Bremsen waren wirklich miserabel und griffen erst, wenn man das Pedal fast ganz durchdrückte. »Auf der Herfahrt lag der See links von der Straße, also ist er jetzt rechts.«
    »Eine zwingende Logik, Schwager.«
    »Wenn er rechts gelegen hätte …«
    »… wäre er jetzt links. Fahr, du alter Esel!«
    Nach ungefähr vier Werst erreichten sie tatsächlich den See und das Wäldchen, in dem die schöne Fee wohnen sollte. Sie suchten einen schattigen Platz am grasbewachsenen Ufer, stellten den Jeep am Waldrand ab, nahmen den Freßkorb und setzten sich an den See.
    Von einem Nest in einem der hohen Bäume erhob sich ein Fischreiher und schwebte lautlos und majestätisch über das spiegelnde Wasser. Er zog ein paar Kreise, tiefer und immer tiefer, und schien die fremden Menschen zu beäugen.
    »Komm nur her!« rief Frantzenow und lachte laut. »Bist du vielleicht die Fee in anderer Gestalt?«
    »So gefällst du mir, Schwager.« Weberowsky sah ihn lächelnd an. »Du beginnst, dich wieder zu freuen. Verdammt, es war wirklich nötig und höchste Zeit, daß ich nach Kirenskija gekommen bin. Du bist hier völlig versauert.«
    »Hör auf damit, Wolfgang.« Frantzenow packte den Korb aus. Sogar Bestecke und eine kleine, weiße Tischdecke hatte er mitgebracht. Er breitete sie im Gras aus und stellte die Flaschen, Dosen und Gläser darauf. Weberowsky zog sein Hemd aus, es war heiß, obwohl es die Zeit des Herbstes war. Die Laubbäume im Wald färbten sich schon gelblich, in zwei, drei Wochen würden sie in allen Farben leuchten, von Gold bis Dunkelrot.
    »Womit fangen wir an?« fragte Frantzenow.
    »Mit dem China-Bier, bevor es warm wird. Dann riecht es nach Mottenpulver.« Sie rissen zwei Dosen auf, stießen mit ihnen an und fühlten sich wohl wie seit langem nicht. »Auf dein Kommen!« rief Frantzenow. »Es lebe die Zukunft!«
    Kein Russe ohne Trinkspruch.
    Und Weberowsky antwortete, die Dose schwenkend: »Auf alles, was uns fröhlich macht. Es lebe die Heimat, in die wir zurückkehren.«
    Im Quartier der amerikanischen Kommission zog sich Captain Curlis um; er vertauschte die Uniform mit

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