Wetterleuchten
klingelte, waren ihre Finger von der Kälte ganz taub.
Diana Kinsales Pick-up stand in der Auffahrt, aber weder die Türklingel schreckte im Haus ihre Hunde auf noch Becca selbst, als sie auf die andere Seite des Grundstücks ging und einen Blick in den Zwinger warf.
Er war leer. Während Becca sich umsah, drang aus der Ferne fröhliches Bellen vom Meer herüber, und kurz darauf erblickte Becca Diana, die ihren Hunden Tennisbälle zuwarf, damit sie sie apportierten. Obwohl sich Diana auf der anderen Seite des Strands fast am Ende von Sandy Point befand, erkannte Becca sie an ihrer männlichen Kleidung und ihrem Gang. Und an ihren Hunden, denn es waren gleich fünf, von denen einer ein eleganter und schweigsamer schwarzer Pudel namens Oscar war. Er jagte den Bällen nicht hinterher. Diana sagte immer, dass Oscar das Nachjagen von Bällen als würdelos empfand.
Sie machte sich auf den Weg hinunter an den Strand. Er war von einer Ansammlung kleiner Häuser gesäumt, von denen die meisten den Winter über leer standen, sodass sich nur wenige Rauchfahnen wie silberne Schals in die eiskalte Luft erhoben. Sie umrundete ein paar Dünen, wo Seegräser im Februarwetter schlummerten, und als sie endlich den eigentlichen Strand erreichte, sah sie, wie Diana zum wiederholten Mal einen Tennisball warf und alle Hunde außer Oscar ihm nachpreschten.
Als sie zu Diana zurückrannten, erblickten sie jedoch Becca. Sie kniete sich hin und streckte die Arme nach ihnen aus. Die Hunde stürzten sich mit schnüffelnden kalten Nasen und muffigem Hundeatem auf sie. Sie lachte und schrie: »Lasst das! Ich hab nichts zum Naschen! Ach! Runter mit euch!«, obwohl sie sich freute, so von ihnen begrüßt zu werden.
Dann hörte sie Schritte, und als sie aufsah, stellte sie fest, dass Diana Kinsale sich zu ihnen gesellt hatte. Ihr kurzes graues Haar war unter einer Baseballkappe verborgen, und an ihren Ohren glitzerten goldene Stecker im schwindenden Licht des Nachmittags. Sie hatte einen dicken Parka, Handschuhe und kniehohe Anglerstiefel an und sagte: »Ah, Becca. Da bist du ja. Dacht’ ich’s mir doch, dass die Hunde jemanden erwarten.«
Kapitel 5
B ecca wunderte sich nicht. Sie hatte bereits bemerkt, dass Diana Kinsale auf mysteriöse Weise immer wusste, was mit Menschen und Tieren los war, weshalb sie fast durchgehend über alles informiert war, was sich auf der Insel ereignete. Außerdem konnte Becca bei ihr kein Flüstern wahrnehmen, es sei denn, Diana wollte , dass sie es hörte. Insofern unterschied sich die ältere Frau von allen anderen Menschen, und Becca wollte unbedingt herausfinden, was dahintersteckte.
Sie fragte: »War es Oscar?«
»Der mir verraten hat, dass er jemanden erwartet?«, fragte Diana. Sie nahm ihre Baseballkappe vom Kopf, fuhr sich mit der Hand durchs Haar und setzte die Kappe wieder auf. »Nein. Die anderen. Die hatten heute keine Lust, Bälle zu fangen. Nicht so wie sonst. Und da Oscar niemals Bälle fängt, konnte ich nicht erkennen, ob er jemanden erwartet oder nicht.«
Die Hunde scharten sich um sie und beschnüffelten abwechselnd den Sand und die Taschen von Beccas Jacke. »Ich hab ihnen schon gesagt, dass ich nichts zum Naschen dabei habe«, sagte sie zu Diana.
»Die Hoffnung stirbt zuletzt«, antwortete Diana. »Wie geht es dir? Du siehst aus ... Irgendetwas beschäftigt dich. Hoffe, du hast keinen Ärger mit Debbie.«
Becca versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, dass sie ihre Freundin angelogen hatte. Diana Kinsale glaubte, Becca wohne noch immer im Cliff Motel, wo sie kurz nach ihrer Ankunft auf der Insel für die Besitzerin Debbie Grieder gearbeitet und dafür ein Zimmer und Verpflegung erhalten hatte. Aber sie war schon vor Thanksgiving aus dem Motel geflohen, um sich im Wald zu verstecken, und hatte Debbie Grieder gesagt, dass sie bei Diana wohnen würde. Und Diana hatte sie erzählt, sie würde noch bei Debbie wohnen. Ein gefährliches Spiel, das sie nicht ewig fortsetzen konnte. Aber im Augenblick hatte sie keine andere Wahl.
»Debbie ist super«, sagte sie, was ja nicht gelogen war. »Und ihre Enkel auch«, was ebenfalls der Wahrheit entsprach.
Diana musterte sie und sagte: »Aber ... ?«
Da ertönte ein lauter Knall, und die Hunde - sogar Oscar - fingen an zu bellen. Diana wirbelte herum, um zu sehen, wo das Geräusch herkam, und Becca tat es ihr nach. Sie sahen einen Mann, der - mit einem Gewehr bewaffnet - auf einer der Steinmauern stand, welche die kleinen Fischerhäuschen vom
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