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Wetterleuchten

Wetterleuchten

Titel: Wetterleuchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Persönlichkeit.
    Irgendwie hatte Derric es geschafft, ihr wahres Ich hinter der Fassade zu sehen, die sie der Welt präsentieren musste. Als er sich von seinen Verletzungen erholt und das Krankenhaus verlassen hatte, war er zu ihr gekommen. Er hatte ihr Leben an diesem Ort, an dem ihre Mutter sie im Herbst zurückgelassen hatte, erträglich gemacht.
    Jetzt, mitten im Winter, waren sie sich noch näher gekommen. Becca konnte ihn nur bis zu einem gewissen Grad in ihr Leben lassen. Es war zu seiner eigenen Sicherheit, aber das wusste er nicht. Und würde sie es ihm sagen, würde das einen Rattenschwanz von weiteren Problemen mit sich bringen, die sie beide überfordern und ihre Beziehung zwangsläufig zerstören würden. Was Jenn McDaniels natürlich wunderbar in den Kram passen würde.
    Jenns Gedanken waren so unüberhörbar geworden wie eine Durchsage über die Lautsprecheranlage der Schule, sobald Becca den Hörer der AUD-Box aus dem Ohr nahm. In den vergangenen vier Monaten hatte sich ihre Fähigkeit verbessert, die willkürlichen Gedanken anderer Leute aufzuschnappen, wenn die AUD-Box sie nicht mit weißem Rauschen ausblendete, und dieses Flüstern - wie sie es nannte - half ihr, sich an diesem Ort zurecht zu finden. In Jenns Fall hatte Becca das Flüstern von Anfang an verraten, dass dieses Mädchen fest entschlossen war, ihre Feindin zu sein. Gleich am Abend von Beccas Ankunft auf der Insel hatten sie sich auf der Fähre in die Haare gekriegt, und Beccas Interesse an Derric hatte ihr Verhältnis nicht verbessert. Und als Derric ihre Gefühle erwiderte, war es endgültig vorbei. Sie und Jenn waren wie Feuer und Wasser. Außer der Tatsache, dass sie beide Mädchen waren, gab es keine Gemeinsamkeit zwischen ihnen.
    Becca wusste, sie hätte dem anderen Mädchen keinen Hinweis darauf geben sollen, dass sie seine Gedanken gelesen hatte. Aber so elend, wie ihr im Moment wegen Derric zumute war, kümmerte sie das nicht. Er war irrational, hatte kein Verständnis für sie, verlangte etwas, das sie ihm auf keinen Fall geben konnte, konnte die Wahrheit nicht erkennen und wollte nicht wissen, warum sie ihm nicht alles sagen konnte, was er wissen wollte ... Das und noch vieles mehr, dachte sie trocken.
    Jenn warf ihr einen Blick zu, der töten konnte, und marschierte aus der Bibliothek. Sie blieb stehen, um ein paar Worte mit Squat Cooper zu wechseln, und beschloss aus irgendeinem Grund, dass ein Austausch von Spucke mit dem armen Squat angesagt war, denn sie küsste ihn direkt auf den Mund, als er aufsah. Er stieß sie nicht direkt von sich, sagte aber: »Hey, was soll das?«, als sie mit ihm fertig war.
    »Mach’s gut, Romeo«, erwiderte sie. »Nächstes Mal gibt’s Zunge«, und dann lachte sie, während er bis über beide Ohren rot wurde.
    Becca wusste, was Jenn da abzog: Ich hab meinen eigenen Kerl, gab sie ihr damit zu verstehen. Sie wusste auch, dass das eine Lüge war. Aber es spielte in diesem Moment keine Rolle, weil sich dieser Moment ganz allein um Derric drehte und um das, was sie ihm nicht erzählen konnte.
    Jenn hatte ihren Computer nicht ausgeschaltet, und auf dem Bildschirm war noch immer die Website zu sehen, die sie gerade studiert hatte, als Becca und Derric in die Bibliothek gekommen waren. Becca setzte sich daran, um ihn zu benutzen, ging aber zuerst aus Neugierde die Infos durch, die Jenn aufgerufen hatte: eine weit in der Vergangenheit zurückliegende Ölkatastrophe in Possession Point. Wenn sie meint, dachte Becca. Vielleicht war sie eine angehende Umweltschützerin.
    Jedenfalls hatte Becca ein größeres Problem als eine Ölpest von vor zwanzig Jahren, und dieses Problem hieß Jeff Corrie. Er war der Grund, warum sie auf Whidbey Island war. Sie und ihre Mutter waren vor ihm auf der Flucht. Kein Tag verging, ohne dass Becca jeden Augenblick damit rechnete, ihr Stiefvater könnte hinter einem Busch hervorspringen, wenn sie in der Nähe ihres Verstecks aus dem Bus stieg. Sie überprüfte einmal die Woche, ob er immer noch als freier Mann in San Diego herumlief. Bisher war das der Fall.
    Sie führte ihre übliche Suche durch. Langsam musste doch irgendjemandem das Verschwinden von Connor, Jeffs Partner, aufgefallen sein, dachte sie. Es stand außer Frage, dass Jeff Corrie etwas damit zu tun hatte.
    Ersteres bewahrheitete sich schließlich. Jemand in Connors Familie hatte Alarm geschlagen, dass Jeff Corries Geschäftspartner in einem Investmenthaus in San Diego offenbar verschwunden war. Keine

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