Wetterleuchten
vergewaltigen, versklaven und so weiter, verstehst du? Die anderen aus der Klasse werden wahrscheinlich nur die Alternativen aufzählen. Aber wenn wir tief in die europäische Kultur eintauchen und etwas finden, das sie veranlasst, anders zu sein, wird Mr Keith sicher aufhorchen.«
Jenn horchte schon jetzt auf. Verdammt, er war so schlau. Jenn setzte sich neben ihn und legte ihm in einer freundschaftlichen Geste den Arm um die Schulter. »Zeig mal«, sagte sie und fing an zu lesen.
Es war Squat, wie man ihn kannte. Es war nicht nur gut, es war brillant. Jenn las weiter, drückte seine Schultern und küsste ihn spontan auf die Wange. Dann drehte sie seinen Kopf zu sich herum und drückte ihm zum Abschluss noch einen Kuss auf den Mund. »Du bist echt ein Genie«, sagte sie. »Das gibt eine Eins und unsere Namen werden in Leuchtschrift erscheinen. Ich will einen Zungenkuss, du Überflieger. Lass uns feiern.«
Squat wollte etwas erwidern, doch jemand anders kam ihm zuvor.
»Boah ey, bist du schon so verzweifelt, Bro?« Squats älterer Bruder Dylan kam ins Zimmer. Seine Hose hing ihm so lose über den Hüften, dass er sie festhalten musste, während er zur Couch schlenderte. Dazu trug er ein Sweatshirt, das total dreckig aussah, als wäre Bigfoot der Letzte gewesen, der es anhatte. An den Füßen trug er Tennisschuhe, die er nicht zugeschnürt hatte. Er grinste höhnisch. »Machst du jetzt schon mit Lesben rum?«, fragte Dylan lässig, während er sich auf die Couch fallen ließ.
»Hey! Jenn ist nicht...«
»Hast du ’ne Ahnung.« Dylan setzte sich neben Squat, lehnte sich aber vor und sah Jenn an. »Darf ich deine Brust anfassen?«, fragte er. Und als sie darauf mit zusammengezogenen Lippen reagierte, sagte er: »Siehst du? Sie will nichts von mir, und dann will sie auch nichts von dir.«
»Du hast eine etwas übersteigerte Vorstellung von deiner Attraktivität«, antwortete Squat trocken.
Jenn lachte laut auf, und Dylans Gesicht lief rot an. »Pass bloß auf«, sagte er zu seinem Bruder.
»Und du haust am besten ab und spielst an deinen Zehen. Auf mehr kannst du nämlich nicht hoffen.«
»Und du spielst mit ihr? Mann, da bin ich aber eifersüchtig.«
Dylan stand auf und schlurfte aus dem Zimmer. Im Flur ließ er einen lauten Furz los, damit sie ihn ja nicht so schnell vergaßen.
»Tut mir leid«, sagte Squat, als er weg war. »Affen haben sich auch weiterentwickelt. Vielleicht lässt er die Phase der Beleidigungen irgendwann mal hinter sich. Aber ich würde nicht zu bald damit rechnen.«
»Was soll’s«, sagte sie. »Bei einem Bruder wie dir bleibt ihm ja nicht viel anderes übrig, als ein Widerling zu sein.«
Squat dachte darüber nach. »Sollte das ein Kompliment sein?«, fragte er schließlich.
»Das ist einfach eine Tatsache. Perfekter Gentleman, Einserschüler, Pfadfinder, ein toller Typ von Kopf bis Fuß. Das weiß doch jeder. Hey. Sollen wir uns ausziehen?«
Da wurde er knallrot.
Es war kurz vor dem Abendessen, als Jenn mithilfe von Mrs Coopers Range Rover, den diese nur ungern über den holperigen Weg, der zum McDaniels-Haus führte, fahren wollte, nach Possession Point zurückkam. Der Himmel war tiefschwarz, aber hinten in der Köderhütte brannte Licht, sodass Mrs Cooper sagte: »Ist das okay?«, und Jenn begriff, dass sie die Federung ihres Wagens nicht ruinieren wollte. Sie hätte ihr am liebsten gesagt, dass ein Range Rover gerade dafür konzipiert war, über holperige Straßen zu fahren. Aber stattdessen sagte sie: »Kein Problem. Danke.« Sie warf noch ein »Bis dann, Romeo« hinterher und sah dabei Squat an; dann stieg sie aus dem Auto.
Als Jenn am Wohnwagen vorbeilief, kam gerade Annie Taylor heraus. Zuerst dachte Jenn, die junge Frau hätte auf sie gewartet, vor allem, als sie sagte: »Hey, Jenn. Kommst du mal rüber, wenn du Zeit hast?« Doch dann lief Annie zum Holzhaufen und holte sich einen Arm voll Scheite. Jenn sagte, klar, sobald sie sich vergewissert hatte, was es heute zum Abendessen gab. Da das Inseltaxi nicht da war, wusste Jenn, dass ihre Mutter nicht zu Hause war und sie etwas für die Jungs und ihren Vater zubereiten musste.
Gemüsesuppe mit Rindfleisch, wobei man das Fleisch mit der Lupe suchen konnte. Ihre Mutter hatte sie schon gekocht, und sie musste nur noch warmgemacht werden. Na schön. Sie würde sich darum kümmern, nachdem sie herausgefunden hätte, was Annie von ihr wollte. Wahrscheinlich sollte sie ihr helfen, den Wohnwagen weiter herzurichten. Das hatten
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