Wetterleuchten
sie in letzter Zeit immer zusammen gemacht, wenn sie sonst nicht zu viel zu tun hatten. Inzwischen war er bewohnbar, aber Jenn fand immer noch, dass Annie viel zu viel Miete zahlte.
Als sie zu ihr ging, erfuhr sie, dass Annies Pläne nichts mit dem Wohnwagen zu tun hatten. Stattdessen ging es um Nera. Annie hatte nur einen Gedanken im Kopf: Sie wollte um jeden Preis an Nera herankommen. Das schien ihr sehr wichtig zu sein.
Als Jenn eintrat, saß Annie an ihrem Laptop und sagte: »Super. Da bist du ja«, und klickte eine neue Website an. Dann sagte sie: »Nimm dir einen Keks. Die sind mit Erdnussbutter.«
»Hast du Kekse gebacken?«
»Wohl kaum. Das Einzige, was ich kann, ist Wasser heiß machen. Und auch das gelingt mir nur in Ausnahmefällen. Die hab ich in Langley gekauft.« Sie zeigte vage in Richtung Küche, wenn man die Ecke des Wohnwagens so bezeichnen konnte. Auf der Anrichte lag eine weiße Tüte, die halb offen war, und darin waren die Kekse. Aus der Bäckerei. Götterspeise.
Jenn nahm einen Keks und ließ sich den ersten Bissen im Munde zergehen. Dann ging sie zu Annie, die sie fragte: »Wie viel wiegst du?«
»Warum?«
»Nur so. Das brauche ich für diese Website.«
»Was denn für eine Website?«
»Sag doch einfach.« Danach fragte sie nach ihrer Größe, ob sie Kontaktlinsen tragen würde und ob sie schwimmen könne. Als sie alles eingegeben hatte, sagte sie: »Ich habe genau das gefunden, was wir suchen.«
»Wofür?«
»Um näher an Nera heranzukommen.«
»Was willst du eigentlich mit der Robbe? Und warum willst du näher an sie rankommen? Und wie sollen wir das überhaupt schaffen?«
»Mit Tauchgeräten«, sagte Annie. »Wir gehen zusammen unter Wasser.«
»Was? Mitten im Winter? Da frieren wir uns ja tot.«
»Nicht, wenn wir Trockenanzüge tragen«, erwiderte Annie leichthin. »Ich habe schon einen Tauchschein. In meinem Beruf braucht man den. Und du kannst damit später auch Geld verdienen, Jenn. Du sagst doch, du brauchst Geld, oder?«
»Hm ... Wie soll ich denn damit Geld verdienen? Indem ich Unterwasserführungen anbiete?«
»Du lebst auf einer Insel. Hier wimmelt es nur so von Booten. Und die Leute brauchen jemanden, der ihnen den Rumpf reinigt und wer weiß, was sonst noch alles.« Annie wedelte mit der Hand. »Du weißt schon. Ständig verliert jemand Anker oder Krebskörbe oder Gott weiß, was noch. Damit kannst du dir massenhaft Arbeit an Land ziehen.«
Ja, und ich müsste mir massenhaft Ausrüstung kaufen, dachte Jenn, die sich das weder leisten konnte noch wollte. Annie hatte ihr ein bisschen Geld dafür gegeben, dass sie geholfen hatte, den Wohnwagen bewohnbar zu machen, aber damit wollte sie den Mitgliedsbeitrag für die Mädchenfußballmannschaft bezahlen, falls man sie aufnehmen würde. Da fiel ihr ein, dass es draußen inzwischen zu dunkel zum Sprinten und Dribbeln war. Sie musste endlich den Hintern hochkriegen und mit dem Training anfangen.
Annie tätschelte die Bank, auf der sie saß und sagte: »Setz dich, Schönheit.« Da musste Jenn unwillkürlich lächeln und setzte sich zu der jungen Frau. »Wir machen Folgendes«, sagte Annie fröhlich. »Tauchen lernen betrachte ich als Teil deiner Arbeit, also werde ich deine Stunden bezahlen, und die Ausrüstung können wir leihen.«
»Wo denn?«
»Na, hier.«
Annie zeigte mit dem Finger auf die Website, die Werbung für einen neuen Laden auf der Insel machte. Er bot Schiffsutensilien und Tauchkurse an und wurde von einem Mann namens Chad Pederson betrieben, der von der Hafenbehörde angestellt worden war. Sie brauchten jemanden, der Tauchgeräte, Kajaktouren und Schnorchelkurse anbot. Und dieser jemand war Chad Pederson.
»Das ist bei Drake’s Landing«, sagte Annie. »Weißt du, wo das ist?«
»Am Jachthafen von Langley«, antworte Jenn und betrachtete die Fotos glücklicher Schnorchler, fröhlicher Kajakfahrer und bis über beide Flossen begeisterter Taucher. »Warum fragst du ihn nicht, ob er mit dir taucht?«
»Wen?«
»Den Typ mit den Kursen. Chad Pederson.«
»Weil ich dich dabeihaben will«, sagte Annie. »Wir sind doch ein Team, oder?«
Jenn freute sich über die Frage, obwohl sie nicht genau wusste, warum. »Ja«, antwortete sie. »Klar.«
Annie hakte sich bei Jenn unter und zog sie näher heran, damit sie sich zusammen den Bildschirm ansehen konnten. »Eine für alle - alle für eine, sage ich immer. Gehen wir die Robbe suchen.«
Leichter gesagt als getan. Aber Annie hatte auch dazu schon eine Idee.
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